12 - Im Auge des Tigers
einen Bereich zu finden, in dem er gut war – neun Jahre nach seinem Abschluss am Boston College, um genau zu sein –, und er, der Junior, war sozusagen kaum trocken hinter den Ohren, hatte Georgetown vor noch nicht mal einem Jahr verlassen. Ob er den 317
Anforderungen des Campus genügen würde? Er war so ziemlich der Jüngste dort. Selbst der Sekretärinnen-Pool bestand aus Frauen, die älter waren als er. Verdammt, in der Tat ein völlig neuer Gedanke…
Bin Sah war ein Test für ihn, und zwar wahrscheinlich ein sehr wichtiger. Konnte es womöglich sein, dass Tony Wills bin Sali bereits auf die Schliche gekommen war und er, Jack, sich nun mit Datenmaterial herumschlug, das seine Kollegen schon vollständig analysiert hatten? Oder musste er diesen Fall allein aufklären und seine Ergebnisse präsentie-ren, wenn er zu einem Schluss gekommen war? Eine aufregende Vorstellung, die ihm da durch den Kopf schoss, als er, den Rasierer in der Hand, vor dem Badezimmerspiegel stand. Er ging nicht mehr zur Schule. Hier zu versagen, bedeutete Versagen für… fürs Leben? Nein, ganz so schlimm dann doch nicht, aber es wäre jedenfalls alles andere als gut. Das musste er sich bei Kaffee und CNN in der Küche noch einmal überlegen.
Am nächsten Morgen ging Zuhayr den Hang hinauf, um zwei Dutzend Donuts und vier große Becher Kaffee zu kaufen. Amerika war solch ein verrücktes Land. So viele natürliche Reichtümer – Bäume, Flüsse – außerdem wunderbare Straßen, unglaublicher Wohlstand, aber alles im Dienste dieser Götzenanbeter. Und hier befand er sich nun, trank ihren Kaffee und aß ihre Donuts. Wahrhaftig, die Welt war verrückt, und wenn es darin überhaupt einen Plan gab, so war es Allahs eigener Plan, den selbst die Gläubigen nicht verstehen konnten. Sie mussten nur dem folgen, was geschrieben stand. Als Zuhayr ins Motel zurückkehrte, liefen in beiden Fernsehern die Nachrichten – CNN, der weltweite, besser gesagt, der jüdisch orientierte Nachrichtensender.
Eine Schande, dass die Amerikaner nicht Al-Jazeera schauten. Dieser Sender versuchte wenigstens, Araber anzuspre-chen, auch wenn er in seinen, Zuhayrs, Augen bereits an der amerikanischen Krankheit litt.
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»Essen… und Trinken«, verkündete Zuhayr. Eine Schachtel Donuts nahm er mit in sein Zimmer, die andere gab er Mustafa, der nach elf Stunden seligen Schnarchens noch immer gähnte.
»Wie hast du geschlafen, mein Bruder?«, fragte Abdullah den Teamführer.
»Es war eine segensreiche Erfahrung, aber meine Beine sind nach wie vor steif.« Ür schnappte sich den großen Kaffeebecher, fischte einen mit Ahornsirup überzogenen Donut aus der Schachtel und verschlang mit einem einzigen riesigen Bissen gleich die Hälfte davon. Dann rieb er sich die Augen und blinzelte in den Fernseher, um zu sehen, was heute in der Welt los war. Die israelische Polizei hatte wieder einen heiligen Märtyrer erschossen, noch ehe er dazu gekommen war, seinen Semtex-Anzug zu zünden.
»So ein Vollidiot!«, schimpfte Brian. »Ist denn das so schwer, an einer Strippe zu ziehen?«
»Ich frage mich, wie die Israelis das spitzgekriegt haben.
Man muss wohl davon ausgehen, dass sie bei der Hamas bezahlte Informanten haben. Für ihre Polizeibehörden muss diese Angelegenheit ein Fall von immenser Tragweite sein, auf den sie jede Menge Ressourcen verwenden – und die Nachrichtendienste arbeiten auch mit an der Sache.«
»Bei denen wird doch gefoltert, oder?«
Dominic überlegte kurz und nickte dann. »Ja – angeblich unterliegt das alles der Aufsicht ihrer Gerichtsbarkeit und so, aber die haben schon etwas nachdrücklichere Verneh-mungsmethoden als wir.«
»Bringt das was?«
»Darüber haben wir auf der Akademie gesprochen. Klar, wenn man jemandem ein Bowie-Messer an den Schwanz hält, wird er sehr wahrscheinlich einsehen, dass es besser ist, zu singen – aber so recht hat die Vorstellung keinem behagt. Ich meine, theoretisch mag man das vielleicht sogar ganz witzig finden, aber solche Methoden wirklich selbst 319
anzuwenden… macht wohl kaum besonders viel Spaß. Und die nächste Frage ist: Wie viel an brauchbaren Informationen kommt tatsächlich dabei rum? So ein Typ würde einem alles Mögliche erzählen, um seinen kleinen Freund vor dem Messer zu retten, um zu erreichen, dass der Schmerz aufhört – was auch immer. Verbrecher können einem ganz schön was vorlügen, wenn man nicht von vornherein schon mehr weiß als sie. Na, solche Praktiken kommen bei uns
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