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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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nicht weiter darauf, sondern nutzte eine Lücke im Verkehr, um die mittlere Fahrbahn zu überqueren. Dort hinten kam eine Straßenbahn, aber sie war noch weit genug entfernt, dass er sich ihretwegen keine Gedanken zu machen brauchte. Rechts war die Straße gerade frei, und deshalb…
    Brian ging einfach weiter. Er hatte vor, bis zu der Trafik zu gehen, denn dort könnte er unter dem Vorwand, sich etwas 549

    zu kaufen, unauffällig stehen bleiben und sich umdrehen, um zu beobachten, was weiter geschah.
    Weber sah den Mann, der offenbar über die Gleise rennen wollte. Hatte man diesen Idioten denn nicht im Kindergarten beigebracht, dass man das nur an der Ampel tat, wo die Tram, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch, bei Rot anhalten musste? Es gab eben Leute, die dachten, ihre Zeit sei nicht mit Gold aufzuwiegen. Hielten sich wohl für Kaiser Franz Joseph persönlich, nach hundert Jahren von den Toten auferstanden. Weber trat nicht auf die Bremse. Idiot hin oder her, der Mann würde noch problemlos über die Gleise kommen, bevor…
    … Fa’ad spürte, wie sein rechtes Bein einknickte. Was war denn jetzt los? Auch sein linkes Bein gab unter ihm nach, und er fiel ohne ersichtlichen Grund hin. Dann ging plötzlich alles ganz schnell – zu schnell, um es zu begreifen, und als ob er sich selbst von außen betrachtete, sah er sich stürzen – und da kam eine Straßenbahn… auf ihn zu!
    Max Weber reagierte etwas zu langsam. Er traute kaum seinen Augen, aber es war nicht zu übersehen… Er stieg auf die Bremse, doch dieser Trottel war keine zwei Meter mehr entfernt und – gütiger Gott!
    Um genau so etwas zu vermeiden, waren unten an der Vorderseite der Trambahn zwei horizontal verlaufende Bügel angebracht, die allerdings schon seit längerer Zeit nicht mehr überprüft worden waren. Außerdem war Fa’ad ein zierlicher Mann – so zierlich, dass seine Füße unter den Sicherheitsbügeln durchrutschten...
    … Max Weber spürte das grauenhafte zweimalige Holpern, als die Tram den Körper des Mannes überrollte. Sicher würde jemand einen Krankenwagen anfordern, aber sie sollten lieber einen Geistlichen rufen. Dieser arme Teufel würde nicht mehr dort ankommen, wohin er unterwegs 550

    gewesen war. Solch ein Dummkopf – sein Leben aufs Spiel zu setzen, nur um ein bisschen Zeit zu sparen. Solch ein Dummkopf!
    Auf der anderen Straßenseite drehte sich Mahmoud gerade um und sah seinen Freund sterben. Fast bildete er sich noch ein zu sehen, wie die Straßenbahn einen Satz machte, als wolle sie über Fa’ad hinwegspringen. Augenblicklich war seine Welt eine andere geworden – im selben Moment, in dem sie für Fa’ad ein für alle Mal aufhörte, sich zu drehen.
    »O Gott«, stieß Brian hervor, der mit einer Zeitschrift in der Hand fünf Meter entfernt stand. Der arme Teufel war nicht einmal lange genug am Leben geblieben, um an dem Gift zu sterben. Brian sah, dass Enzo auf der anderen Seite die Straße entlanggegangen war – vielleicht um Fa’ad abzufan-gen, wenn er auf der anderen Seite ankäme, aber das Succinylcholin hatte zuverlässig seine Wirkung getan. Nur dass der Typ sich eine denkbar ungünstige Stelle ausgesucht hatte, um zusammenzubrechen. Oder eine gute, je nachdem, wie man die Sache sah. Brian nahm die Zeitschrift und überquerte die Straße. Vor der Trafik stand ein arabisch aussehender Mann, der noch bestürzter dreinschaute als die anderen Umstehenden. Menschen schrien entsetzt auf und schlugen die Hände vor den Mund – es war wahrhaftig kein schöner Anblick, auch wenn die Trambahn direkt über dem Mann zum Stehen gekommen war.
    »Die Straße können sie nachher erst mal abspritzen«, kommentierte Dominic trocken. »Gute Arbeit, Aldo.«
    »Na ja, der ostdeutsche Punktrichter gibt wahrscheinlich wieder mal eine Fünf-Komma-sechs. Lass uns verschwinden.«
    »Okay, Bruderherz.«
    Und sie gingen an der Trafik vorbei zum Schwarzenbergplatz.
    Hinter ihnen kreischten noch vereinzelt Frauen. Die Män-551

    ner nahmen es gefasster auf – die meisten wandten sich schweigend ab. Es gab nichts, was man hätte tun können.
    Der Türsteher des Imperial eilte ins Hotel, um einen Krankenwagen und die Feuerwehr zu rufen. Als die Feuerwehrleute etwa zehn Minuten später als Erste eintrafen, stellten sie auf den ersten Blick fest, dass jede Hilfe zu spät kam –
    der Mann musste immense Mengen Blut verloren haben und war ganz offensichtlich nicht mehr zu retten. Auch die Polizei von der Wache in der

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