12 - Im Auge des Tigers
Friedrichstraße rückte an, und ein Polizeihauptmann forderte Weber auf, die Tram ein Stück zurückzusetzen. Was dabei zum Vorschein kam, war viel und wenig zugleich. Der Körper lag in vier unterschiedlich große Teile zerstückelt da, als wäre er von einem riesigen prähistorischen Raubtier zerfleischt worden. Inzwischen war auch ein Krankenwagen eingetroffen. Die Polizisten dirigierten den Verkehr daran vorbei, wobei die Au-toinsassen es sich allerdings nicht nehmen ließen, einen Blick auf das Blutbad zu werfen. Manche gafften mit morbider Faszination, andere wandten sich entsetzt und ange-ekelt ab. Sogar ein paar Zeitungsreporter mit Fotoapparaten und Notizblöcken waren schon da – und die unvermeidli-chen Fernsehfritzen mit ihren Minicams.
Sie brauchten drei Leichensäcke, um den Toten abzu-transportieren. Ein Inspektor der Verkehrsbetriebe traf ein, um den Straßenbahnfahrer zu befragen, wobei ihm die Polizei selbstverständlich bereits zuvorgekommen war. Alles in allem dauerte es ungefähr eine Stunde, die Leiche weg-zuschaffen, die Straßenbahn auf etwaige Schäden zu untersuchen und die Straße wieder freizumachen. All das ging erstaunlich zügig vonstatten, sodass um 12.30 Uhr bereits die Ordnung wiederhergestellt war.
Für Mahmoud Mohamed Fadhil war die Ordnung allerdings durchaus nicht wiederhergestellt. Er kehrte in sein Hotel zurück und fuhr seinen Computer hoch, um Mohammed Hassan al-Din, der inzwischen in Rom war, per E-Mail um neue Anweisungen zu bitten.
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Mittlerweile saß auch Dominic an seinem Computer und verfasste eine Mail an den Campus, in der er von den jüngsten Ereignissen berichtete und Instruktionen für den nächsten Auftrag anforderte.
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Kapitel 22
Die Spanische Treppe
»Du machst wohl Witze!«, sagte Jack sofort.
»›Lieber Gott, schenke mir einen dummen Gegner‹«, entgegnete Brian. »Eins der Gebete, die man auf der Basic School lernt. Das Dumme ist nur, früher oder später lernen sie alle dazu.«
»Geht uns mit den Verbrechern genau so«, bestätigte Dominic. »Das Problem in der Strafverfolgung ist, dass wir im Allgemeinen nur die Dummen zu fassen kriegen. Von den Cleveren erfahren wir in den meisten Fällen nicht mal, dass es sie überhaupt gibt. Deshalb hat es zum Beispiel so lange gedauert, die Mafia auszuhebeln, wobei die ja nun so schlau auch wieder nicht ist. Tja, das Ganze ist halt ein Evo-lutionsprozess, und wir tragen auf die eine oder andere Weise dazu bei, denen Hirn anzuzüchten.«
»Was Neues von zu Hause?«, fragte Brian.
»Schau doch mal auf die Uhr«, erwiderte Jack. »Damit können wir frühestens in einer Stunde rechnen. Und dieser Kerl wurde also tatsächlich überfahren?«
Brian nickte. Ihre Zielperson war auf der Straße gestürzt und überfahren worden wie ein streunender Hund. »Von 554
einer Straßenbahn. Das einzig Gute war, dass einem der Anblick größtenteils erspart blieb – die Bahn verdeckte ja die Sicht.« Tja, Pech, Mr Kameltreiber.
Das St.-Elisabeth-Krankenhaus in der Invalidenstraße, wohin der Rettungswagen die Leichenteile gebracht hatte, lag nur ungefähr einen Kilometer entfernt. Man warnte die Kollegen vor, sodass niemand sonderlich überrascht war, als die drei Gummisäcke eintrafen. Sie wurden gleich in die Pathologie gebracht – den Umweg über die Unfallambulanz konnte man sich in diesem Fall sparen. Die Todesursache war so offensichtlich, dass es auf eine perverse Art schon fast wieder komisch erschien. Das einzige Problem bestand darin, Blut für eine toxikologische Untersuchung zu bekommen. Der zerstückelte Körper war fast vollständig aus-geblutet. Nur in den inneren Organen – hauptsächlich in Milz und Gehirn – war genügend Blut für eine Untersuchung zurückgeblieben. Dieses wurde mit einer Injektions-spritze entnommen und ins Labor geschickt, wo man es auf Rückstände von Betäubungsmitteln und/oder Alkohol testen würde. Sonst gab es nicht viel, das man bei der Obduktion noch hätte nachweisen können – nachdem die Tram den Mann überrollt und dabei in weniger als drei Sekunden seine beiden Beine zermalmt hatte, wäre selbst ein gebrochenes Knie nicht mehr feststellbar gewesen. Anhand der Papiere in der Brieftasche des Toten wurden seine Persona-lien festgestellt, einen Pass hatte er allerdings nicht bei sich getragen. Damit die zuständige Botschaft verständigt werden konnte, versuchte die Polizei gegenwärtig herauszufinden, ob der Mann in einem der Hotels am Ort gewohnt und dort
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