12 - Im Auge des Tigers
aufs Strikteste abge-544
lehnt. Er war ein anständiger, ehrenhafter Mann gewesen.
Was allerdings auf manche seine Anhänger nicht zutraf, und das waren diejenigen, um die er und die Zwillinge sich kümmern mussten.
Jede Religion konnte von einer Gruppe Irrer pervertiert werden, dachte er gähnend, und eben das geschah hier mit dem Islam.
»Darüber muss ich noch mehr lesen«, sagte er sich auf dem Weg ins Bett. »Unbedingt.«
Fa’ad wurde um halb neun wach. Heute würde er sich vor der Trafik an der Ecke mit Mahmoud treffen. Sie würden gemeinsam mit dem Taxi irgendwohin fahren – wahrscheinlich zu einem Museum –, um dort die Nachricht zu übermitteln. Dann würde er erfahren, was geschehen sollte und was er tun musste, um es geschehen zu lassen. Wirklich schade, dass ihm keine eigene Wohnung zur Verfügung stand. Hotels waren bequem, vor allem der Wäscheservice, aber allmählich hatte er doch die Nase voll von ihnen.
Das Frühstück kam. Fa’ad gab dem Kellner zwei Euro Trinkgeld. Dann las er die Zeitung, die auf dem Servierwa-gen gelegen hatte. Anscheinend hatte sich nichts von Bedeutung ereignet. Österreich stand kurz vor einer Wahl, und jede Partei schwärzte die andere kräftig an, wie es in der europäischen Politik üblich zu sein schien. In seiner Heimat waren Wahlen wesentlich vorhersehbarer – und leichter zu durchschauen. Kurz vor neun Uhr machte er den Fernseher an und ertappte sich dabei, wie er in immer kürzeren Abständen auf die Uhr sah. Diese Treffen machten ihn immer ein bisschen nervös. Was, wenn ihn der Mossad irgendwann enttarnte? Die Antwort darauf war recht einfach: Sie würden ihn kurzerhand töten, wie man ein lästiges Insekt erschlug.
Dominic und Brian wanderten ziellos umher – jedenfalls wäre es einem außenstehenden Beobachter so erschienen.
545
Das Problem war, dass es davon nicht gerade wenige gab.
In unmittelbarer Nähe des Hotels befand sich ein Zeitungs-kiosk, und außerdem hatte das Bristol einen Türsteher.
Dominic überlegte, ob er sich an einen Laternenpfahl lehnen und eine Zeitung lesen sollte, aber das war etwas, wovon ihm auf der FBI-Akademie eindringlichst abgeraten worden war, weil es wohl kaum jemanden gab, der diese Masche nicht aus Agentenfilmen kannte. Entsprechend brauchte man weder ein Profi noch besonders fantasievoll zu sein, um jemanden, der Zeitung lesend an einem Laternenpfahl lehnte, verdächtig zu finden. Alle Welt war geradezu darauf konditioniert. Es war gar nicht so leicht, unauffällig auf jemanden zu warten – den Betreffenden auf der Straße zu verfolgen war dagegen ein Kinderspiel. Dominic seufzte und schlenderte weiter.
Brian ging Ähnliches durch den Kopf. Er musste daran denken, wie einem eine Zigarette über Momente wie diesen hinweghelfen konnte. Sie gab einem etwas zu tun. Bogart hatte im Kino auch immer diese filterlosen Sargnägel im Mund gehabt, an denen er letztlich dann auch gestorben war. Pech gehabt, Bogie, dachte Brian. Krebs musste eine ganz schön üble Krankheit sein. Brian überbrachte seinen Zielpersonen zwar auch nicht gerade einen Hauch von Frühling, aber wenigstens dauerte seine Methode nicht monatelang. Nur ein paar Minuten, dann schaltete das Hirn einfach ab. Außerdem hatten es diese Leute auf die eine oder andere Weise verdient. Sie selbst sahen das zwar höchstwahrscheinlich anders, aber sie hätten eben besser aufpassen sollen, wen sie sich zum Feind machten. Nicht alle ihre Opfer waren dumme, wehrlose Schafe. Brian hatte nun den Überraschungseffekt auf seiner Seite, und etwas Besseres konnte einem auf dem Schlachtfeld gar nicht passieren. Wenn man den Feind überrumpelte, hatte er keine Chance zurückzuschlagen. Daran gab es absolut nichts auszusetzen, denn dies war eine rein geschäftliche Angelegenheit, nichts Persönliches. Es erging dem Feind wie einem 546
Stier im Schlachthof – selbst wenn er noch dazu kam aufzu-schauen, sähe er bloß noch den Typen mit dem Bolzen-schussgerät, und danach hieß es, ab in den Rinderhimmel, wo das Gras immer grün und das Wasser süß war und keine Wölfe herumschlichen…
Konzentrier dich auf die Sache, Aldo, ermahnte sich Brian.
Da beide Straßenseiten für sein Vorhaben gleich gut geeignet waren, überquerte er die Straße und steuerte auf den Geldautomaten direkt gegenüber vom Bristol zu. Er zückte seine Karte, tippte die Geheimzahl ein und wurde mit 500
Euro belohnt. Ein kurzer Blick auf die Uhr: 10.35. Kam der Vogel heute noch mal raus? Oder
Weitere Kostenlose Bücher