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12 - Im Auge des Tigers

12 - Im Auge des Tigers

Titel: 12 - Im Auge des Tigers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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hatten sie ihn etwa übersehen?
    Der Verkehr hatte inzwischen nachgelassen. Rote Stra-
    ßenbahnen – hier in Österreich als Tram bezeichnet – rum-pelten die Straße hinauf und hinunter. Niemand beachtete ihn. Die Menschen schienen mit sich selbst beschäftigt zu sein und blickten nicht nach rechts und links. Anscheinend hatten die Österreicher kein Bedürfnis, jemanden spontan zu grüßen. Fremde waren eben Fremde, das schien ihnen ganz recht so zu sein. Die Leute kamen ihm hier sogar noch korrekter vor als in München. Wahrscheinlich konnte man bei ihnen zu Hause vom Fußboden essen, solange man ihn hinterher nur wieder sauber machte.
    Dominic hatte auf der anderen Straßenseite Stellung bezogen und behielt den Straßenabschnitt zwischen Hotel und Oper im Auge. Es gab nur zwei Richtungen, die ihr Freund einschlagen konnte – links oder rechts. Und nur zwei Straßenseiten, auf denen er gehen konnte. Weitere Alternativen gab es nicht, es sei denn, er würde von einem Auto abgeholt. Dann hätten sie die Sache abblasen müssen.
    Aber morgen wäre auch noch ein Tag. 10.56 zeigte Brians Uhr. Er musste aufpassen, dass er nicht zu oft zum Eingang des Hotels schaute, um sich nicht zu verraten…
    Da – endlich! Es war eindeutig die Zielperson. Der Bursche trug einen blauen Nadelstreifenanzug und eine braune 547

    Krawatte, als wäre er auf dem Weg zu einer wichtigen Besprechung. Auch Dominic sah ihn und machte kehrt, um sich ihm von Nordwesten her zu nähern. Brian blieb abwar-tend stehen.
    Fa’ad beschloss, seinem ankommenden Kollegen einen Streich zu spielen. Um Abwechslung in die Sache zu bringen, wollte er sich ihm diesmal von der anderen Straßenseite nähern. Aus diesem Grund schlängelte Fa’ad sich zwischen den Autos hindurch über die Straße. Als Junge hatte es ihm immer großen Spaß gemacht, in die Pferdekoppel seines Vaters zu klettern und zwischen den Tieren hin-durchzuflitzen. Pferde waren natürlich vernünftig genug, um nicht blindlings auf ihn loszugehen, was man von den Autos auf dem Kärntner Ring allerdings nicht unbedingt behaupten konnte. Aber Fa’ad schaffte es dennoch heil auf die andere Straßenseite.
    Der Kärntner Ring war ungewöhnlich angelegt, mit einer gepflasterten Fahrspur, ähnlich einer Privateinfahrt, einem schmalen Grünstreifen, dann der eigentlichen Straße mit den Autos und Straßenbahnen, einem weiteren Grünstreifen und schließlich wieder einer gepflasterten Fahrspur vor dem gegenüberliegenden Gehsteig. Die Zielperson flitzte hinüber und ging dann in Richtung Westen, auf das Hotel zu, in dem die Zwillinge wohnten. Brian näherte sich dem Burschen von hinten, und als er noch drei Meter von ihm entfernt war, holte er seinen Stift hervor, drehte an der Spitze und vergewisserte sich mit einem kurzen Blick, dass die Waffe einsatzbereit war.
    Max Weber war schon seit 23 Jahren bei den städtischen Verkehrsbetrieben angestellt und fuhr die Tram täglich 18-mal auf ihrer Strecke hin und her, wofür er ein ganz passables Angestelltengehalt bekam. In diesem Moment fuhr er gerade vom Schwarzenbergplatz in Richtung Norden und 548

    bog an der Stelle, wo der Rennweg in die Schwarzenberg-straße überging, nach links auf den Kärntner Ring ein. Die Ampel stand auf Grün, und sein Blick streifte kurz das lu-xuriöse Hotel Imperial, in dem vor allem reiche Ausländer und Diplomaten abstiegen. Dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße, obgleich das in seinem Job weniger wichtig war. Eine Straßenbahn ließ sich nicht lenken, und es war Sache der Autofahrer, sich von ihr fern zu halten. Nicht, dass er besonders schnell fuhr – kaum einmal mehr als 40 Stundenkilometer, selbst in den Außenbezirken, kurz vor der Endstation. Seine Tätigkeit war nicht besonders anspruchsvoll, aber er verrichtete sie gewissenhaft und streng nach Vorschrift. Die Glocke ertönte. An der Ecke von Kärntner Ring und Wiedner Hauptstraße wollte jemand aussteigen.
    Da, da war Mahmoud, und er hielt tatsächlich nach der falschen Richtung Ausschau. Gut, dachte Fa’ad. Vielleicht konnte er seinen Kollegen überraschen und ihm einen kleinen Streich spielen. Er blieb kurz am Straßenrand stehen, um den Verkehr zu beobachten, ehe er über die kleine, gepflasterte Fahrspur auf den Grünstreifen lief.
    So, Freundchen, dachte Brian. Mit drei Schritten hatte er ihn eingeholt und…
    Autsch, dachte Fa’ad. Irgendwas hatte ihm buchstäblich einen Stich versetzt, und zwar in den Hintern. Aber er achtete

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