12 - Im Auge des Tigers
Gedanken um seine Hotelunterbringung machen. Wie erledigte man das von einem Flugzeug aus? An seinem Erste-Klasse-Sitz war ein Telefon angebracht. Jack steckte seine schwarze American-Express-Card in den Schlitz und stürzte sich todesmutig in seine erste Auseinandersetzung mit der Technik europäischer Telefone. Welches Hotel? Vielleicht das Excelsior? Beim zweiten Versuch kam er durch und erfuhr von der Rezeption, dass dort tatsächlich Zimmer frei waren. Er entschied sich für eine kleine Suite. Höchst zufrieden mit sich selbst ließ er sich anschließend von der freundlichen Stewardess ein Glas toskanischen Weißwein servieren. Sogar ein hektisches Leben, so hatte er inzwischen gelernt, konnte ein angenehmes Leben sein, wenn man wusste, welcher Schritt als Nächstes anstand. Zurzeit reichte sein Horizont jeweils immer genau bis zum nächsten Schritt.
Die Konstrukteure der deutschen Autobahnen mussten ihr gesamtes Wissen an die Österreicher weitergegeben haben, dachte Dominic. Vielleicht hatten sie aber auch einfach alle dasselbe Buch gelesen. Im Grunde unterschieden sich diese Straßen gar nicht mal so sehr von den Betonbändern, die Amerika durchzogen. Nur die Beschilderung war völlig anders – für die Amerikaner beinahe unverständlich, was hauptsächlich daran lag, dass es bis auf die fremdartigen Städtenamen kaum verbale Hinweise gab. Dominic kombinierte, dass schwarze Zahlen auf weißem Grund in einem roten Kreis die zugelassene Höchstgeschwindigkeit bezeichnen mussten – die man hier allerdings in Kilometern angab. Er überlegte… Auf zwei Meilen kamen drei Kilometer und ein paar Zerquetschte. Die Österreicher waren in Bezug auf Höchstgeschwindigkeiten nicht ganz so großzü-
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gig wie die Deutschen. Vielleicht hatten sie hier nicht genü-
gend Ärzte, um all die Unfallopfer zusammenzuflicken. Die Straßen waren jedenfalls nicht weniger sicher. Selbst als sie in die Berge kamen, hatten die Kurven keine gefährlichen Neigungswinkel, und die breiten Seitenstreifen boten genü-
gend Ausweichmöglichkeiten, damit man nicht gleich im Straßengraben landete, wenn einem mal jemand über den Weg fuhr, der rechts und links nicht ordentlich unterscheiden konnte. Der Porsche war mit einem Tempomat ausgestattet, den Dominic fünf Klicks, also fünf Stundenkilometer, über der zugelassenen Höchstgeschwindigkeit einstellte –
einfach um sich die Genugtuung zu verschaffen, ein bisschen zu schnell zu fahren. Allerdings konnte er nicht darauf zählen, dass ihn sein FBI-Ausweis auch hier vor einem Strafzettel bewahrte, wie es in den Staaten schon so oft der Fall gewesen war.
»Wie weit, Aldo?«, fragte er den Navigator auf dem To-dessitz.
»So wie es aussieht, etwas über tausend Kilometer. Rechne also mal mit zehn Stunden.«
»Das reicht ja gerade mal, um den Motor aufzuwärmen.
Ich werd wohl so in zwei Stunden tanken müssen. Wie viel Cash hast du dabei?«
»Siebenhundert Euro. Zum Glück kann man damit auch in Italien bezahlen – bei den alten Lire hat einem ja beim Umrechnen der Kopf geraucht vor lauter Nullen. Der Verkehr hält sich ja in Grenzen«, bemerkte Brian.
»Ja, und die Leute fahren auch alle ganz manierlich«, stimmte Dominic zu. »Taugen die Karten was?«
»Ja. Wenn wir in Italien sind, müssen wir nur noch einen Stadtplan von Rom kaufen.«
»Da sollte ja dranzukommen sein.« Dominic dankte Gott, dass er mit einem Bruder gesegnet war, der Karten lesen konnte. »Wenn wir zum Tanken anhalten, können wir uns auch gleich was zu essen besorgen.«
»Gebongt, Bruderherz.« Als Brian aufblickte, sah er in der 564
Ferne die Berge – wie weit sie entfernt waren, ließ sich nicht einschätzen, aber in Zeiten, als man noch zu Fuß oder zu Pferd gereist war, hätte dieser Anblick mit Sicherheit ent-mutigend gewirkt. Damals mussten die Leute wesentlich mehr Geduld gehabt haben als die Menschen heutzutage –
oder vielleicht auch nur wesentlich weniger Verstand. Im Augenblick fand Brian seinen Sitz noch ganz bequem, und sein Bruder fuhr ausnahmsweise mal nicht wie der Henker.
In Italien gab es nicht nur gute Rennwagenkonstrukteure, sondern auch gute Piloten – die Maschine küsste die Lan-debahn geradezu. Dennoch war Jack wie nach jedem Flug froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Zwar war er in seinem Leben schon zu viel geflogen, als dass es ihn noch groß beunruhigt hätte – was bei seinem Vater frü-
her oft der Fall gewesen war –, aber wie die meisten Menschen
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