12 - Im Auge des Tigers
nur.
»Seit wann glauben Sie an Zufälle? Etwas an dieser Sache stinkt.«
»Was meint Langley?«
»Bisher noch gar nichts. Sie haben die Sache der Abteilung Südeuropa zur Auswertung übergeben. Ich denke, wir 86
können etwa in einer Woche mit ersten Ergebnissen rechnen, aber viel wird wohl nicht dabei rumkommen. Ich kenne den Burschen, der diese Abteilung leitet.«
»Ein Dummkopf?«
Rounds schüttelte den Kopf. »Nein, damit täte man ihm Unrecht. Grips hat er durchaus, aber er blickt nicht über den Tellerrand. Besonders kreativ ist er auch nicht. Ich wette, die ganze Geschichte wird in der Chefetage nicht mal zur Kenntnis genommen.« Ein neuer CIA-Chef war an die Stelle von Ed Foley getreten, der nun im Ruhestand war und angeblich gemeinsam mit seiner Frau Mary Pat an einem Buch über seine vielfältigen Erfahrungen arbeitete. Die beiden hatten seinerzeit hervorragende Arbeit geleistet. Der neue Chef des Nachrichtendienstes, kurz DCI, war dagegen ein Richter von einiger politischer Anziehungskraft, auf den Präsident Kealty die größten Stücke hielt. Er tat nichts ohne die Zustimmung des Präsidenten, was bedeutete, dass alles die Mini-Bürokratie des National Security Council Teams im Weißen Haus durchlaufen musste, die ungefähr so undicht wie die Titanic und folglich ein Lieblingskind der Presse war. Die Einsatzleitung steckte noch in der Aufbau-phase – die Farm, das Ausbildungszentrum der CIA in Ti-dewater, Virginia, war noch damit beschäftigt, neue Agenten auszubilden. Immerhin war der neue stellvertretende Einsatzleiter, der DDO, kein schlechter Mann. Der Kongress hatte darauf bestanden, dass diese Position mit jemandem besetzt wurde, der über Erfahrung mit Einsätzen vor Ort verfügte. Das behagte Kealty zwar nicht, aber er beherrschte das Spielchen mit dem Kongress. Selbst wenn die Einsatzleitung wieder zu vernünftiger Stärke heranwuchs –
sie würde unter der derzeitigen Regierung niemals etwas allzu Schlimmes anrichten. Nichts, was den Kongress un-glücklich gemacht hätte. Nichts, worüber sich die freiberuf-lichen Hasser der Nachrichtendienste hätten ereifern müssen – jedenfalls nicht mehr als üblich. Sie verbreiteten nur weiterhin ihre Routinebeschwerden und wilden Verschwö-
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rungstheorien: die üblichen Geschichten darüber, dass die CIA an Pearl Harbor schuld war und am Erdbeben von San Francisco.
»Sie denken also, diese Sache zieht keine weiteren Konsequenzen nach sich?«, fragte Granger und wusste die Antwort im Voraus.
»Der Mossad wird ein paar Nachforschungen anstellen, seine Leute zu erhöhter Wachsamkeit aufrufen, und nach ein, zwei Monaten werden die meisten dann wieder in den gewohnten Trott zurückfallen. Dasselbe gilt für die übrigen Geheimdienste. In der Hauptsache werden die Israelis versuchen herauszukriegen, wie ihr Mann aufgeflogen ist.
Darüber lässt sich anhand des derzeitigen Informations-standes nur schwer spekulieren. Wahrscheinlich war es irgendwas ganz Simples, wie meistens. Vielleicht ist ihm beim Rekrutieren ein verhängnisvoller Fehlgriff unterlaufen, vielleicht wurde ein Codeschlüssel geknackt – zum Beispiel indem ein Angestellter der Botschaft, der mit der Chiffrierung zu tun hatte, bestochen wurde –, vielleicht hat sich jemand auf der falschen Cocktailparty mit dem falschen Typen unterhalten. Da gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Sam. Da draußen kann einen schon der kleinste Ausrutscher das Leben kosten, und solche Fehler passieren auch den Besten von uns.«
»Darüber sollte mal was im Handbuch stehen – was man bei Einsätzen vor Ort tut und lässt.« Granger hatte natürlich selbst einige Zeit im Außeneinsatz verbracht, allerdings hauptsächlich in Bibliotheken und Banken, wo er in ver-staubten Unterlagen nach noch verstaubteren Informationen suchte und hier und da in den Bergen muffiger Papiere auf einen vereinzelten Diamanten stieß. Dafür bediente er sich stets einer Tarnung, die ihm mit der Zeit in Fleisch und Blut überging wie das Zähneputzen vorm Zubettgehen.
»Wenn allerdings noch ein Agent irgendwo auf der Straße den Löffel abgibt«, bemerkte Rounds, »dann wissen wir, dass da draußen wirklich ein Gespenst umgeht.«
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Die Maschine der Fluggesellschaft Avianca aus Mexiko landete fünf Minuten vor der planmäßigen Zeit in Cartagena. Er war mit Austrian Airlines zum Londoner Flughafen Heathrow geflogen, hatte von dort einen British-Airways-Flug nach Mexiko City genommen und war schließlich mit
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