Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
schärfer hinblickte, bemerkte ich, daß an ihrer oberen Spitze das Rohr niedergetreten war.
    „Blickt dahin! Seht ihr nicht, daß dort Menschen gewesen sind?“
    „Es scheint so, Emir.“
    „So muß auch ein Fahrzeug vorhanden sein.“
    „Es würde zerschellen; das ist sicher!“
    „Sucht!“
    Sie gingen nach rechts und links am Ufer hinab und hinauf, kehrten aber unverrichteter Sache zurück. Jetzt suchte ich selbst mit, lange vergeblich. Endlich aber entdeckte ich – zwar kein Floß und keinen Kahn, aber eine Vorrichtung, deren Zweck mir sofort einleuchtete. An den Stamm eines Baumes, welcher oberhalb der Insel hart am Wasser stand, war ein langes, starkes Palmfaserseil befestigt. Das eine Ende desselben schlang sich um den Stamm, das Seil selbst aber war unter dem daneben wuchernden dichten Gestrüpp versteckt. Als ich es hervorzog, zeigte sich an dem andern Ende ein jetzt zusammengesunkener Schlauch, aus einer Bockshaut gefertigt, und über demselben war ein Querholz angebracht, welches jedenfalls dazu dienen sollte, sich mit den Händen daran festzuhalten.
    „Seht, hier ist das Floß. Dieses kann allerdings nicht zerschellen. Ich werde hinüberschwimmen, während ihr hier wacht, daß ich nicht gestört werde.“
    „Es ist gefährlich, Emir!“
    „Andere sind auch hinübergekommen.“
    Ich warf die Oberkleider ab und blies den Schlauch auf. Die Öffnung wurde mit einer daran befestigten Schnur verschlossen.
    „Haltet das Seil und laßt es langsam durch die Hände laufen!“
    Ich faßte das Querholz fest und glitt in das Wasser. Sofort ergriff mich die Strömung, welche so stark war, daß ein Mann alle seine Kräfte anstrengen mußte, um das Seil halten zu können. Einen Menschen von drüben herüber holen, dazu gehörten wohl die vereinigten Kräfte von mehreren Männern. Ich mußte nach jenseits der Insel halten; es gelang, und ich landete glücklich, obgleich ich einen tüchtigen Stoß erhielt. Meine erste Sorge war, das Seil so zu befestigen, daß es mir nicht abhanden kommen konnte; dann ergriff ich den Dolch, welchen ich zu mir gesteckt hatte.
    Von der Spitze der Insel führte durch das Rohrdickicht ein schmaler, ausgetretener Pfad, auf welchem ich bald vor einer kleinen, aus Bambus, Schilf und Binsen gefertigte Hütte kam. Sie war so niedrig, daß kein Mensch in ihr zu stehen vermochte. Ihr Inneres enthielt nichts als einige Kleidungsstücke. Ich betrachtete dieselben genau und bemerkte, daß es die zerfetzten Anzüge von drei Männern waren. Keine Spur zeigte, daß die Besitzer derselben noch vor kurzer Zeit hier anwesend gewesen seien; aber der Pfad führte weiter.
    Ich folgte ihm, und bald war es mir, als ob ich ein Stöhnen hörte. Ich hastete vorwärts und gelangte an eine Stelle, wo das Rohr abgehauen war. Auf dieser kleinen Blöße bemerkte ich – drei Menschenköpfe, welche mit dem Hals in den Erdboden gestellt waren; so wenigstens schien es mir. Sie waren ganz unförmlich aufgeschwollen, und die Ursache davon ließ sich sehr leicht erkennen; denn bei meiner Ankunft erhob sich eine dichte Wolke von Moskitos und Schnaken in die Luft. Augen und Mund waren geschlossen. Waren das Totenköpfe, welche man aus irgendeinem Grund hierher gestellt hatte?
    Ich bückte mich nieder und berührte einen derselben. Da hauchte ein leiser Wehlaut zwischen den Lippen hervor, und die Augen öffneten sich und starrten mich mit einem gläsernen Blick an. Ich war wohl in meinem Leben selten über ein Ding erschrocken, jetzt aber entsetzte ich mich so sehr, daß ich mehrere Schritte zurückwich.
    Ich trat wieder näher und untersuchte die Sache. Wahrhaftig, drei Männer waren eingegraben, lebendig eingegraben in den feuchten, fauligen Boden bis an die Köpfe.
    „Wer seid ihr?“ fragte ich laut.
    Da öffneten alle drei die Augen und stierten mich mit wahnsinnigen Blicken an. Die Lippen des einen taten sich auf:
    „O Adi!“ ächzte er langsam.
    Adi? Ist dies nicht der Name des großen Heiligen der Dschesidi, der sogenannten Teufelsanbeter?
    „Wer hat euch hierher gebracht?“ fragte ich weiter.
    Wieder öffnete sich der Mund, aber er war nicht mehr imstande, einen Laut hören zu lassen. Ich arbeitete mich durch das dichte Röhricht nach dem Ufer der Insel und füllte beide Hände mit Wasser. Rasch kehrte ich zurück und flößte das Naß den Gemarterten ein. Sie schlürften es mit Gier. Ich konnte nur wenig auf einmal bringen, da es mir unterwegs zwischen den Fingern durchtropfte, und so mußte ich sehr

Weitere Kostenlose Bücher