12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
oft hin und her gehen, ehe sie ihren fürchterlichen Durst gestillt hatten.
„Gibt es hier eine Hacke?“ fragte ich.
„Mitgenommen“, flüsterte der eine.
Ich rannte nach der oberen Spitze der Insel. Drüben standen noch meine Begleiter. Ich legte die Hand an den Mund, um das Rauschen des Wassers zu übertönen, und rief ihnen zu:
„Holt einen Spaten, eine Hacke und die drei Engländer, aber ganz heimlich!“
Sie verschwanden. Halef durfte ich nicht herbescheiden, weil er drüben notwendig war. Ich wartete mit Ungeduld – endlich aber erschienen die Haddedihn mit den drei Verlangten und auch mit einem Werkzeug, welches einer Hacke ähnlich sah.
„Sir David Lindsay!“ rief ich hinüber.
„Yes!“ antwortete er.
„Schnell herüber! Bill und der andere auch! Bringt die Hacke mit!“
„Meine Hacke? Fowling-bulls gefunden?“
„Werden sehen!“
Ich machte den Schlauch los und schob ihn in das Wasser.
„Zieht an!“
Eine Weile danach stand Sir David auf der Insel.
„Wo?“ fragte er.
„Warten! Erst die anderen auch herüber!“
„Well!“
Er winkte den Leuten drüben, sich zu sputen, und endlich standen die beiden kräftigen Burschen an unserer Seite. Bill hatte die Hacke bei sich. Ich befestigte den Schlauch wieder.
„Kommt, Sir!“
„Ah! Endlich!“
„Sir David Lindsay, wollt Ihr mir verzeihen?“
„Was?“
„Ich habe keine Fowling-bulls gefunden.“
„Keine?“ – Er blieb stehen und riß den Mund weit auf. „Keine? Ah.“
„Aber ich habe etwas ganz Entsetzliches entdeckt! Kommt!“
Ich ergriff die Hacke und schritt voran.
Mit einem Ausruf des Entsetzens prallte der Engländer zurück, als wir den Platz erreichten. Jetzt war der Anblick allerdings fast noch schrecklicher als vorher, da die drei die Augen offen hatten und die Köpfe bewegten, um den Insektenschwarm von sich abzuhalten.
„Man hat sie eingegraben!“ sagte ich.
„Wer?“ fragte Lindsay.
„Weiß es nicht, werden es erfahren.“
Ich gebrauchte die Hacke mit solcher Hast, und die anderen scharrten und kratzten mit den Händen dazu, daß wir bereits nach einer Viertelstunde die drei Unglücklichen vor uns liegen hatten. Sie waren von allen Kleidern entblößt, und die Hände und Füße hatte man ihnen mit Baststricken zusammengebunden. Ich wußte, daß die Araber ihre Kranken bei gewissen schlimmen Krankheiten bis an den Kopf in die Erde graben und diesem sogenannten ‚Einpacken‘ eine bedeutende Heilkraft zuschreiben; aber diese Männer waren gefesselt, also nicht krank gewesen.
Wir trugen sie an das Wasser und überspritzten sie. Dies erfrischte ihre Lebensgeister.
„Wer seid ihr?“ fragte ich.
„Baadri!“ klang die Antwort.
Baadri? Das war ja der Name eines Dorfes, welches ausschließlich von Teufelsanbetern bewohnt wurde! Ich hatte also doch wohl mit meinen Vermutungen das Richtige getroffen.
„Hinüber mit ihnen!“ befahl ich.
„Wie?“ fragte der Engländer.
„Ich schwimme zuerst hinüber, um ziehen zu helfen, und nehme zugleich ihre Kleider mit. Ihr kommt dann nach, ein jeder mit einem von ihnen.“
„Well! Wird aber nicht leicht sein.“
„Ihr nehmt ihn quer vor euch über die Arme.“
Ich rollte die Kleider mit einem Turban zusammen und nahm diesen auf den Kopf. Dann ließ ich mich an das Ufer ziehen. Was nun kam, das war für mich und die beiden Haddedihn eine sehr harte Arbeit, für die anderen aber außerordentlich gefährlich; dennoch gelang es uns, alle sechs glücklich an das Ufer zu bringen.
„Zieht ihnen die Kleider an! Dann bleiben sie heimlich hier liegen. Ihr, Sir David, werdet ihnen im stillen Nahrung bringen, während die anderen sie bewachen.“
„Well! Fragt, wer sie eingegraben hat.“
„Der Scheik natürlich.“
„Tot schlagen den Kerl!“
Dieses letzte Abenteuer hatte über eine Stunde Zeit in Anspruch genommen. Als wir das Lager erreichten, wimmelte die Ebene von tausenden von Tieren. Das Geschäft des Auswählens war ein schwieriges, doch der kleine Hadschi Halef Omar war seiner Aufgabe vollständig gewachsen. Er hatte meinen Hengst bestiegen, natürlich mit der Absicht, schneller vorwärts zu kommen und nebenbei ein wenig bewundert zu werden, und war überall zu sehen. Die Haddedihn waren ganz begeistert für ihre Arbeit, die gefangenen Abu Hammed aber, welche ihnen helfen mußten, konnten den stillen Grimm in ihren Mienen nicht verbergen. Und nun gar da, wo die Weiber und Greise saßen, da flossen heiße Tränen, und mancher halblaute Fluch
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