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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sagte:
    „Die Teufelsanbeter werden verleumdet, weil sie besser sind, als ihre Verleumder. Wären sie zahlreicher und nicht so zerstreut, so könnten sie die Deutschen Asiens werden, und nirgends hat das Christentum so große Hoffnung auf Erfolg, als bei diesen Leuten. Ich glaube, gewisse überseeische Sendboten der Mission schildern die Dschesidi nur deshalb so ganz und gar unwahr, um einem etwaigen kleinen Erfolg eine sehr große Bedeutung verleihen zu können.“
    Natürlich ließ ich meiner Wißbegierde nicht die Zügel schießen, so daß sie zur lästigen Neugierde werden konnte, und vielleicht grad darum wurde unsere Unterhaltung eine so animiert herzliche, als ob wir Glieder einer Familie seien und uns von Jugend auf geliebt und geachtet hätten. Zunächst kam die Rede auf den bevorstehenden Angriff, doch wurde dieser Gegenstand bald beiseite gelegt, da es sich herausstellte, daß Ali Bey alle erforderlichen Maßregeln mit der größten Sorgfalt getroffen hatte. Dann kam das Gespräch auf Mohammed Emins und meine Person, auf unsere Erlebnisse und gegenwärtigen Absichten.
    „Vielleicht kommt ihr dabei in Gefahr und bedürft der Hilfe“, meinte der Mir Scheik Khan. „Ich werde euch ein Zeichen mitgeben, welches euch den Beistand aller Dschesidi sichert, denen ihr es zeigt.“
    „Ich danke dir! Es wird ein Brief sein?“ fragte ich.
    „Nein, sondern ein Melek Ta-us.“
    Fast wäre ich wie elektrisiert emporgesprungen. Das war ja die Benennung des Teufels! Das war ja der Name desjenigen Tieres, welches nach den über sie verbreiteten Verleumdungen bei ihren Gottesdiensten auf dem Altar stand und die Lichter verlöschen mußte, wenn die Orgien beginnen sollten. Das war endlich auch der Name derjenigen Legitimation, welche der Mir Scheik Khan jedem Priester anvertraut, den er mit einer besonderen Mission beehrt! Und dieses große, dieses geheimnisvolle Wort, über welches so viel gestritten worden ist, sprach er hier so gelassen aus? Ich nahm eine sehr unbefangene Miene an und fragte:
    „Einen Melek Ta-us? Darf ich fragen, was das ist?“
    Mit der freundlichen Miene eines Vaters, der seinem unwissenden Sohn eine notwendige Erklärung gibt, antwortete er:
    „Melek Ta-us nennen wir jenen, dessen eigentlicher Name bei uns nicht ausgesprochen wird. Melek Ta-us heißt auch das Tier, welches bei uns ein Symbol des Mutes und der Wachsamkeit ist, und Melek Ta-us nennen wir auch die Abbildung dieses Tieres, welche ich jenen verleihe, zu denen ich Vertrauen habe. Ich weiß alles, was man über uns fabelt; aber deine Weisheit wird dir sagen, daß ich uns vor dir nicht zu verteidigen brauche. Ich habe mit einem Mann gesprochen, der in vielen christlichen Kirchen gewesen ist. Er sagte mir, daß dort die Bilder der Gottesmutter, des Gottessohnes und vieler Heiligen seien. Auch ein Auge sollt ihr haben, welches das Symbol des Gottvaters, und eine Taube, welche das Zeichen des Geistes ist. Ihr kniet und betet an den Orten, wo diese Bilder sind, aber ich werde niemals glauben, daß ihr diese Bilder anbetet. Wir glauben von euch das Richtige, und ihr glaubt von uns das Falsche. Wer ist verständiger und gütiger, ihr oder wir? Blicke hin an das Tor! Meinst du, daß wir diese Bilder anbeten?“
    „Nein.“
    „Du siehst einen Löwen, eine Schlange, ein Beil, einen Mann und einen Kamm. Die Dschesidi können nicht lesen; daher ist es besser, man sagt ihnen durch diese Bilder, was man ihnen sagen möchte. Eine Schrift würden sie nicht verstehen; diese Bilder aber werden sie nie vergessen, weil dieselben am Grab ihres Heiligen zu sehen sind. Dieser Heilige war ein Mann; darum beten wir ihn nicht an; aber wir versammeln uns an seinem Grab, wie sich die Kinder am Grab ihres Vaters versammeln.“
    „Er hat euren Glauben gestiftet?“
    „Er hat uns unsern Glauben, nicht aber unsere Gebräuche gegeben. Der Glaube wohnt im Herzen, die Sitten aber wachsen aus dem Boden, auf welchem wir leben, und aus dem Land, welches diesen Boden rings umgrenzt. Scheik Adi hat vor Mohammed gelebt. Zu seiner Lehre sind auch diejenigen Satzungen des Korans gekommen, welche wir für gut und heilsam erkannt haben.“
    „Man erzählte mir, daß er Wunder getan habe.“
    „Wunder kann nur Gott tun; aber wenn er sie tut, so tut er sie durch die Hand der Menschen. Blicke hinein, dort in die Halle! Dort ist ein Brunnen, den Scheik Adi hervorgebracht hat. Dieser ist noch vor Mohammed in Mekka gewesen. Schon damals war Zem-Zem eine heilige Quelle. Er nahm

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