12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem
Überschwemmungen des Nils schadlos aushalten zu können.
In diesem Hof hinab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum Aufenthalt dienenden Räume lagen. Ich konnte ihnen jetzt keine große, zeitraubende Betrachtung schenken, sondern gab meinem Diener einen Wink, mit der Apotheke, welche er umhängen hatte, hier des weiteren zu harren, und folgte dem Wegweiser in das Selamlük des Hauses.
Es war ein geräumiges, halbdunkles und hohes Zimmer, durch dessen vergitterte Fensteröffnungen ein wohltuend gedämpftes Licht fiel. Durch die aufgeklebten Tapeten und Arabesken und Ornamente hatte es einen wohnlichen Anstrich erhalten, und die in einer Nische stehenden Wasserkühlgefäße erzeugten eine recht angenehme Temperatur. Ein Geländer trennte den Raum in zwei Hälften, deren vordere für die Dienerschaft, die hintere aber für den Herrn und die besuchenden Gäste bestimmt war. Den erhöhten Hintergrund zierte ein breiter Diwan, welcher von einer Ecke bis in die andere reichte, und auf welchem Abrahim-Mamur, der ‚Besitzer von vielen Beuteln‘, saß.
Er erhob sich beim Eintritt, blieb aber der Sitte gemäß vor seinem Sitz stehen. Da ich nicht die dort gewöhnliche Fußbekleidung trug, so konnte ich mich ihrer auch nicht entledigen, sondern schritt, unbekümmert um meine Lederstiefel, über die kostbaren Teppiche und ließ mich an seiner Seite nieder. Die Diener brachten den unvermeidlichen Kaffee und die noch notwendigeren Pfeifen, und nun konnte das weitere folgen.
Mein erster Blick war natürlich nach seiner Pfeife gerichtet gewesen, denn jeder Kenner des Orients weiß, daß man an derselben sehr genau die Verhältnisse ihres Besitzers zu erkennen vermag. Das lange, wohlriechende und mit stark vergoldetem Silberdraht umsponnene Rohr hatte gewiß seine tausend Piaster gekostet. Teurer aber noch war das Bernsteinmundstück, welches aus zwei Teilen bestand, zwischen denen ein mit Edelsteinen besetzter Ring hervorschimmerte. Der Mann schien wirklich ‚viele Beutel‘ zu besitzen, nur war dies kein Grund, mich befangen zu machen, da mancher Inhaber einer Pfeife im Werte von zehntausend Piastern seinen Reichtum doch nur den geknechteten Untertanen entwendet oder geraubt hat. Lieber also einen prüfenden Blick in das Gesicht!
Wo hatte ich diese Züge doch nur bereits einmal gesehen, diese schönen, feinen und in ihrer Mißharmonie doch so diabolischen Züge? Forschend, scharf, stechend, nein, förmlich durchbohrend senkt sich der Blick des kleinen, unbewimperten Auges in den meinen und kehrt dann kalt und wie beruhigt wieder zurück. Glühende und entnervende Leidenschaften haben diesem Gesicht immer tiefere Spuren eingegraben; die Liebe, der Haß, die Rache, der Ehrgeiz sind einander behilflich gewesen, eine großartig angelegte Natur in den Schmutz des Lasters herniederzureißen und dem Äußeren des Mannes jenes unbeschreibliche Etwas zu verleihen, welches dem Guten und Reinen ein sicheres Warnungszeichen ist.
Wo bin ich diesem Manne begegnet? Gesehen habe ich ihn; ich muß mich nur besinnen; aber das fühle ich, unter freundlichen Umständen ist es nicht gewesen.
„Sallam aaleïkum!“ ertönte es langsam zwischen dem vollen, prächtigen, aber schwarzgefärbten Bart hervor.
Diese Stimme war kalt, klanglos, ohne Leben und Gemüt; es konnte einem dabei ein Schauer ankommen.
„Aaleïkum!“ antwortete ich.
„Möge Allah Balsam wachsen lassen auf den Spuren deiner Füße und Honig träufeln von den Spitzen deiner Finger, damit mein Herz nicht mehr höre die Stimme seines Kummers!“
„Gott gebe dir Frieden und lasse mich finden das Gift, welches an dem Leben deines Glückes nagt“, erwiderte ich seinen Gruß, da nicht einmal der Arzt nach dem Weib des Muselmannes fragen darf, ohne den größten Verstoß gegen die Höflichkeit und Sitte zu begehen.
„Ich habe gehört, daß du ein weiser Hekim seist. Welche Medresse (Höhere Schule im Orient) hast du besucht?“
„Keine.“
„Keine?“
„Ich bin kein Moslem.“
„Nicht? Was sonst?“
„Ein Nemsi!“
„Ein Nemsi! O, ich weiß, die Nemsi sind kluge Leute; sie kennen den Stein der Weisen und das Abracadabra, welches den Tod vertreibt.“
„Es gibt weder einen Stein der Weisen noch ein Abracadabra.“
Er blickte mir kalt in die Augen.
„Vor mir brauchst du dich nicht zu verbergen. Ich weiß, daß die Zauberer von ihrer Kunst nicht sprechen dürfen, und will sie dir auch gar nicht entlocken, nur helfen sollst du
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