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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht zu mir kommen?“
    „Ich komme, nachdem ich eine Pfeife mit dem anderen geraucht habe. Allah behüte dich; ich habe noch zu arbeiten.“
    Halef war bereits vorausgegangen; ich folgte jetzt nach und streckte mich, in meiner Wohnung angekommen, auf den Diwan, um mir das heutige Erlebnis zurechtzulegen. Dies sollte mir aber nicht gelingen, denn bereits nach kurzer Zeit trat mein Wirt zu mir herein.
    „Sallam aaleïkum.“
    „Aaleïkum.“
    „Effendi, ich komme, um deine Erlaubnis zu holen.“
    „Wozu?“
    „Es ist ein fremder Sihdi zu mir gekommen und hat mich um eine Wohnung gebeten, die ich ihm auch gegeben habe.“
    „Wo liegt diese Wohnung?“
    „Droben.“
    „So stört mich der Mann ja gar nicht. Tue, was dir beliebt, Scheik.“
    „Aber dein Kopf hat viel zu denken, und er hat einen Diener, der sehr viel zu pfeifen und zu singen scheint.“
    „Wenn es mir nicht gefällt, so werde ich es ihm verbieten.“
    Der besorgte Wirt entfernte sich, und ich war wieder allein, sollte aber doch zu keinem ruhigen Nachdenken kommen, denn ich vernahm die Schritte zweier Menschen, welche, der eine vom Hof her und der andere von außen her kommend, gerade an meiner Tür zusammentrafen.
    „Was willst du hier? Wer bist du?“ frug der eine. Ich erkannte an der Stimme Halef, meinen kleinen Diener.
    „Wer bist denn du zunächst, und was willst du in diesem Haus?“ frug der andere.
    „Ich? Ich gehöre in dieses Haus!“ meinte Halef sehr entrüstet.
    „Ich auch!“
    „Wer bist du?“
    „Ich bin Hamsad al Dscherbaja.“
    „Und ich bin Hadschi Halef Omar Agha.“
    „Ein Agha?“
    „Ja; der Begleiter und Beschützer meines Herrn.“
    „Wer ist dein Herr?“
    „Der große Arzt, der hier in dieser Stube wohnt.“
    „Ein großer Arzt? Was kuriert er denn?“
    „Alles.“
    „Alles? Mach mir nichts weis! Es gibt nur einen Einzigen, der alles kurieren kann.“
    „Wer ist das?“
    „Ich.“
    „So bist du auch ein Arzt?“
    „Nein. Ich bin auch der Beschützer meines Herrn.“
    „Wer ist dein Herr?“
    „Das weiß man nicht. Wir sind erst vorhin in dieses Haus gezogen.“
    „Ihr konntet draußen bleiben.“
    „Warum?“
    „Weil ihr unhöfliche Männer seid und keine Antwort gebt, wenn man fragt. Willst du mir sagen, wer dein Herr ist?“
    „Ja.“
    „Nun?“
    „Er ist, er ist – mein Herr, aber nicht dein Herr.“
    „Schlingel!“
    Nach diesem letzten Wort hörte ich, daß mein Halef sich höchst indigniert entfernte. Der andere blieb unter dem Eingang stehen und pfiff; dann begann er leise vor sich hin zu brummen und zu summen; nachher kam eine Pause, und darauf fiel er mit halblauter Stimme in ein Lied.
    Ich wäre vor freudiger Überraschung beinahe aufgesprungen, denn der Text der beiden Strophen, welche er sang, lautete in dem Arabisch, dessen er sich bediente:
    „Fid-dagle ma tera jekun?
Chammin hu Nabuliun.
Ma balu-hu jedubb hena?
Kussu-hu, ja fitjanena!
    Gema'a homr el-elbise
Wast el-chala muntasibe.
Ma bal hadolik wakifin?
Hallu-na nenzor musri' in!“
    Und diese arabischen Verse, welche sich sogar ganz prächtig reimten, klingen in unserm guten Deutsch nicht anders als:
    „Was kraucht nur dort im Busch herum?
Ich glaub', es ist Napolium.
Was hat er nur zu krauchen dort?
Frisch auf, Kam'raden, jagt ihn fort!
    Wer hat nur dort im offnen Feld'
Die roten Hosen hingestellt?
Was haben sie zu stehen dort?
Frisch auf, Kam'raden, jagt sie fort!“
    Auch die Melodie war ganz und gar dieselbe, Note für Note und Ton für Ton. Ich sprang, als er die zweite Strophe beendet hatte, zur Tür, öffnete dieselbe und sah mir den Menschen an. Er trug weite, blaue Pumphosen, eine eben solche Jacke, Lederstiefeletten und einen Fez auf dem Kopf, war also eine ganz gewöhnliche Erscheinung.
    Als er mich sah, stemmte er die Fäuste in die Hüften, stellte sich, als ob er sich aus mir nicht das mindeste mache, vor mich hin und fragte:
    „Gefällt es dir, Effendi?“
    „Sehr! Woher hast du dieses Lied?“
    „Selbst gemacht.“
    „Sage das einem anderen, aber nicht mir! Und die Melodien?“
    „Selbst gemacht, erst recht!“
    „Lügner!“
    „Effendi, ich bin Hamsad al Dscherbaja und lasse mich nicht schimpfen!“
    „Du bist Hamsad al Dscherbaja und dennoch ein großer Schlingel! Diese Melodie kenne ich.“
    „So hat sie einer gesungen oder gepfiffen, der sie von mir gehört hat.“
    „Und von wem hast du sie gehört?“
    „Von niemand.“
    „Du bist unverbesserlich, wie es scheint. Diese Melodie gehört zu

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