12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
der Notgenerator an, aber das dauert ein paar Minuten. Wenn Sie mich brauchen …«
»Dann weiß ich genau, wo ich Sie finde«, sagte ich und ergriff die Laterne. »Gute Nacht.«
Ich ging zurück ins Wohnzimmer. Schwarze Wolken hatten den Himmel bedeckt, und von den Berghängen hallte der Donner, als wolle er mir raten, von den großen Panoramafenstern wegzutreten, bevor die Blitze zuckten. Ich eilte in die Bibliothek, schaltete alle Lichter an, zog die Vorhänge zu und stellte die Laterne auf dem Schreibtisch ab. Ich hatte nicht vor, im Dunkeln zu sitzen, sollte der Strom ausfallen, nicht mal für ein paar Minuten.
Seit meiner Ankunft im Aerie hatte ich die Bibliothek schon einige Male aufgesucht, ich kannte mich also schon aus. Drei der Wände waren von maßgefertigten Bücherregalen bedeckt. Der Schreibtisch stand vor der vierten, vor dem Fenster, dessen Vorhänge ich so hastig zugezogen hatte. Daneben standen ein Kartentisch aus Mahagoni und vier übergroße Sessel, jeder mit einer Leselampe und mit Fellen auf den Rückenlehnen, die geeigneten Plätze, um sich mit einem Buch hineinzukuscheln.
Ich sank in einen der Sessel und ließ meinen Blick mehrmals über Rose Auerbachs Buchkollektion wandern. Als plötzlich der Regen gegen die Scheiben prasselte, zwang ich mich das Geräusch zu ignorieren und konzentrierte mich stattdessen auf Danny Auerbachs rätselhafte Ehefrau.
Ich hatte Toby nichts über das merkwürdige Verhalten Florence Auerbachs verraten dürfen, weil ich Bill versprochen hatte, es für mich zu behalten. Ich hatte Toby nichts davon gesagt, dass sie die Weihnachtsferien der Familie im Aerie aus einem unbekannten Grund abgebrochen hatte, dass sie sich weigerte, jemals wieder einen Fuß hineinzusetzen, oder dass sie von ihrem Mann verlangt hatte, das Aerie zu verkaufen, ohne zu begründen, warum sie das so wollte. Doch selbst wenn ich Toby das alles erzählt hätte, wäre er wahrscheinlich doch nicht davon zu überzeugen gewesen, dass sie sich aufgrund des Fluchs gegen das Aerie entschieden hatte. Toby wollte einfach nichts von diesem Fluch wissen.
James Blackwell wäre wahrscheinlich offener für derartige Überlegungen gewesen. Er hatte das Weihnachtsfest mit der Familie im Aerie verbracht und den vorzeitigen Aufbruch miterlebt. Nachdem sie nach einigen Tagen nicht wieder erschienen waren, fragte er sich wahrscheinlich, warum sie so plötzlich einen Ort verlassen hatten, an dem sie sich zuvor immer so wohlgefühlt hatten. Vielleicht war er zu dem Schluss gekommen, dass ihre Flucht etwas mit dem Fluch zu tun hatte, von dem er in der Stadt gehört hatte. Im Gegensatz zu Toby war ich mir sicher, dass James sich entschlossen hatte, den Dingen auf den Grund zu gehen.
Man konnte ruhig davon ausgehen, dass James die Bücher in Mrs Auerbachs Bibliothek durchforstet hatte, um etwas über den Fluch herauszufinden. Aber er war noch weiter gegangen. Er hatte mit Brett Whitcombe gesprochen und sich an die Historical Society gewandt. Er hatte Zeitungsausschnitte und Fotografien ausgewertet, alles mit der Absicht, mehr über den Fluch zu erfahren. Schließlich hatte er sich das Werkzeug besorgt, mit dem er in die Mine steigen konnte – an den Ort, wo alles begann.
Je mehr ich darüber nachdachte, desto sicherer wurde ich mir: James war in die Mine gestiegen, um zu beweisen, dass die Ängste der Auerbachs unbegründet waren. Zugegeben, er war kein Fachmann, aber vielleicht hatte er in den Büchern gefunden, wonach er suchen musste und wo er es finden würde.
Ich hatte nicht die Absicht, James’ Spuren in der Mine zu folgen, aber ich konnte versuchen, den Prozess zu rekonstruieren, der ihn dorthin geführt hatte. Ich wollte beweisen, dass Toby sich irrte, ihm zeigen, dass James Blackwell nicht in die Mine gestiegen war, um seine Arbeitgeber zu bestehlen, sondern um die wahre Ursache des Grubenunglücks zu finden.
Hagel hämmerte gegen das Fenster, als mein Blick schließlich auf eine Schachtel mit der Aufschrift BLUEBIRD HISTORICAL SOCIETY in der untersten Reihe des Regals zu meiner Linken fiel, die sich bis dahin geschickt im Schatten verborgen hatte.
»Na also«, sagte ich und erhob mich. »Dann fangen wir doch mit dir an.«
Ich nahm die Schachtel aus dem Regal und stellte sie neben die Laterne auf den Schreibtisch. Als ich den Deckel der Schachtel abnahm, geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ein ohrenbetäubender Donnerschlag ließ das Fenster erzittern, der Strom fiel aus, und im Schein der Laterne
Weitere Kostenlose Bücher