12 Tante Dimity und der Wilde Westen (Aunt Dimity Goes West)
nicht weiß, wofür. Wir haben Amanda und ihre Gefolgsleute stets toleriert, aber jetzt scheint es, als müsse man ihr die Grenzen aufzeigen. Es geht einfach nicht, dass sie in ein fremdes Haus spaziert und sich auf derart ungehörige Weise aufführt. Demnächst wird sie noch den Gottesdienst stören.«
»Das wird sie sicherlich nicht«, sagte ich besänftigend. Eine Hexenjagd wollte ich auf jeden Fall verhindern. »Sie wird weder die Kirche noch das Pfarrhaus noch irgendein anderes Haus in Bluebird mit dieser Nummer aufsuchen. Verstehen Sie denn nicht, Rose? Das Aerie zieht Amanda an, wegen des sogenannten Fluchs. Sie kann einfach nicht anders, auf dieser Bühne muss sie auftreten, die ist wie für sie gemacht.«
»Und was, wenn Ihre Söhne zu Hause gewesen wären?«, fragte Rose.
»Vielleicht hätte ich sie einen Exorzismus ausführen lassen«, sagte ich mit einem Schulterzucken. »Wenn ich sie damit losgeworden wäre …«
»Sie haben mehr Gleichmut als ich«, sagte Rose. »Nerven hat diese Frau …«
»Lassen wir uns von ihr nicht den Tag verderben.« Ich nickte in Richtung Flur. »Wie wäre es mit einem schönen großen Glas Eistee?«
Rose sah auf ihre Armbanduhr. »Ich habe leider keine Zeit mehr. In knapp einer Stunde muss ich an einer Sitzung des Ausschusses für die Organisation der Goldrausch-Tage teilnehmen. Außerdem möchte ich Ihnen nicht länger zur Last fallen. Ich nehme nur schnell meine Schachtel und verschwinde.«
Toby stand an der Tür und beobachtete mit Adleraugen Amanda, die gerade die Auffahrt hinunterfuhr. Nachdem sie fort war, holte er die Schachtel aus der Bibliothek und verstaute sie im Kofferraum von Roses Wagen. Annelise und die Zwillinge kamen herbei, und gemeinsam winkten wir ihr zum Abschied hinterher.
Fossilien hatten Rob und Will nicht gefunden, aber dafür so viele rostige Nägel, Schienennägel und kleinere Teile von Maschinen, dass ich dankbar war, dass ihre Tetanusimpfung noch wirksam war. Sorgfältig arrangierten sie ihre Fundstücke auf der Kaminumrandung im Hauptraum und fragten dann, ob sie Toby in die Stadt begleiten dürften, der sich freiwillig bereit erklärt hatte, etwas fürs Dinner zu besorgen. Toby war der Meinung, dass niemand, der Ferien machte, öfter als einmal am Tag kochen sollte, und ich stimmte ihm zu. Doch bevor ich den Zwillingen meine Erlaubnis gab, nahm ich Toby kurz beiseite.
»Ich muss mit Annelise sprechen«, sagte ich leise. »Glauben Sie, Sie können allein mit den Jungs fertig werden?«
»Sicher«, antwortete er. »Die beiden sind doch großartig. Die machen bestimmt keinen Ärger.«
»Hoffentlich«, sagte ich und gab den Zwillingen meine Einwilligung.
Toby und die Jungs gingen zum Van, und Annelise und ich setzten uns mit zwei Gläsern Eistee an den Küchentisch. Ich wollte wissen, warum sie die beiden vorerst nicht mehr zur Brockman Ranch lassen wollte. Mir war ein bisschen mulmig. Normalerweise sprach Annelise weder mit Bill noch mit mir über die Zwillinge, es sei denn, sie brauchte ernsthafte Unterstützung, was selten genug der Fall war. Rob und Will waren wirklich großartig.
»Also«, sagte ich und legte die Hände um mein Glas. »Was ist auf der Ranch passiert?«
»Zwei Dinge«, sagte Annelise. »Zunächst hatten wir auf unserem Ausritt ein kleines Verständigungsproblem.«
Ich lächelte erleichtert, auch wenn ich mich wunderte, dass sie das Thema so ernst angekündigt hatte.
»Die Jungen benutzen nun mal englische Wörter und Wendungen«, sagte ich gelassen. »Sie sind damit aufgewachsen. Außerdem kannst du doch dolmetschen.«
»Ich brauchte nicht zu dolmetschen«, sagte Annelise. »Die Amerikaner auf dem Ausritt haben Will schon recht gut verstanden, als er den kleinen Jungen vor ihm einen ›Hurensohn‹ nannte.«
Mir blieb der Mund offen stehen, und ich verschüttete Eistee auf dem Tisch. »Was?«
Annelise nickte. »Und sie haben auch Rob verstanden, als der das Wort benutzte, das sich auf ›dick‹ reimt.«
»Er hat … was?«, stotterte ich und verschüttete noch mehr Tee.
»Ich muss es ja wohl nicht buchstabieren.« Nachdenklich schüttelte Annelise den Kopf. »Dabei gab es gar keinen Grund, die Worte sind ihnen einfach entschlüpft, als würden sie sie jeden Tag benutzen. Gott weiß, was die anderen Erwachsenen auf dem Ritt von ihrer Erziehung gehalten haben.«
»Meine Söhne sind ganz ausgezeichnet erzogen«, sagte ich und wischte mir ein paar Tropfen Eistee von den Händen. »Du weißt ja selber, dass wir
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