12 - Wer die Wahrheit sucht
reiche Leute wichtig. Auf diese Weise werden sie meistens überhaupt erst reich.«
»Weiß die Polizei das alles?«, fragte Deborah.
St. James schüttelte den Kopf. »Aber Le Gallez hat sämtliche diesbezüglichen Unterlagen. Ich denke, er wird es bald wissen.«
»Und lässt er sie dann frei?«
»Du meinst, weil ihre Angaben sich als wahr erwiesen haben?« Simon griff nach dem Kasten mit den Elektroden, schaltete das Gerät aus und begann, die Kontaktplättchen abzulösen. »Ich fürchte, nein, Deborah. Es sei denn, er stößt auf irgendetwas, was eindeutig eine andere Person belastet.« Er hob seine Krücken vom Boden auf und rutschte vom Bett.
»Und gibt es etwas, das jemand anderen belastet?«
Er antwortete nicht, sondern beugte sich zu der Beinschiene hinunter, die neben dem Sessel unter dem Fenster lag. Deborah hatte den Eindruck, dass er an diesem Morgen endlos brauchte, um sie richtig anzupassen, und nochmals endlos brauchte, bis er endlich fertig angekleidet auf den Beinen stand und bereit war, das Gespräch fortzusetzen.
»Du bist beunruhigt?«, sagte er.
»China macht sich Gedanken, warum du... Ich meine, du machst nicht den Eindruck, als wärst du besonders erpicht darauf, sie kennen zu lernen. Für sie sieht es so aus, als hättest du einen Grund, Distanz zu halten. Ist es so?«
»Oberflächlich scheint sie für jemanden, der einen Sündenbock suchte, um ihm diesen Mord in die Schuhe zu schieben, genau die richtige Kandidatin gewesen zu sein. Sie und Brouard waren häufig allein zusammen unterwegs, ihr Umhang scheint leicht zugänglich gewesen zu sein, und jeder, der die Möglichkeit hatte, in ihr Zimmer zu gelangen, kann sich ihre Schuhe und ein paar Haare von ihr beschafft haben. Aber vorsätzlicher Mord setzt ein Motiv voraus. Und man mag es drehen und wenden, wie man will, ein Motiv hatte sie nicht.«
»Trotzdem wird die Polizei vielleicht glauben -«
»Nein. Sie wissen, dass sie kein Motiv für sie haben, und das ebnet uns den Weg.«
»Jemand anderen zu finden?«
»Ja. Warum plant jemand einen Mord? Aus Rache, Eifersucht, Gewinnsucht oder Erpressung. Ich denke, darauf müssen wir jetzt unsere Energien richten.«
»Aber der Ring... Simon, wenn er wirklich China gehört!«
»Dann sollten wir uns mit unserer Arbeit beeilen.«
17
Margaret Chamberlain, die auf der Rückfahrt nach Le Reposoir war, umklammerte das Lenkrad des Range Rover, als gälte es ihr Leben. Sie konnte ihre fünf Sinne nur beisammen halten, indem sie sich einzig auf die Anstrengung konzentrierte, die nötig war, um den eisernen Druck ihrer Hände beizubehalten. Nur so schaffte sie die Fahrt an der Belle-Greve-Bucht entlang nach Süden, ohne innerlich abzudriften, ohne unablässig an ihre Begegnung mit der Familie Fielder zu denken.
Die Adresse ausfindig zu machen, war nicht schwierig gewesen. Es gab nur zwei Fielders im Telefonbuch, und einer von ihnen lebte auf Alderney. Der andere wohnte in der Rue des Lierres, in einer Gegend zwischen St. Peter Port und St. Sampson. Auf der Karte war das leicht zu finden gewesen. In der Realität nicht ganz so leicht, da dieser Teil der Stadt, der Le Bouet hieß, ebenso schlecht gekennzeichnet wie angesehen war.
Bei Margaret erweckte er etwas zu lebhafte Erinnerungen an ihre Vergangenheit als eines von sechs Kindern einer Familie, bei der das Geld nie gereicht hatte. In Le Bouet lebten die Randexistenzen der Gesellschaft, und ihre Wohnungen sahen nicht anders aus als die Wohnungen solcher Leute in jeder englischen Stadt. Hier standen hässliche kleine Reihenhäuser mit schmalen Haustüren, Aluminiumfenstern und schmutzigen Fassaden. Überquellende Müllbeutel ersetzten Büsche und Sträucher, und wo es ein Fleckchen Rasen gab, war es nicht von Blumenbeeten geschmückt, sondern diente als Schuttabladeplatz.
Als Margaret in der Nähe des gesuchten Hauses aus dem Auto stieg, wäre sie beinahe über zwei Katzen gestolpert, die sich wegen eines im Rinnstein liegenden Rests Schweinfleischpastete anfauchten. Ein Hund wühlte in einer umgekippten Mülltonne. Möwen pickten an einem alten Brötchen, das auf einem Stück Rasen lag. Sie schauderte beim Anblick dieser Verhältnisse, die jedoch zugleich nahe legten, dass sie mit den Fielders leichtes Spiel haben würde. Diese Leute waren bestimmt nicht in der Lage, einen Anwalt zu nehmen, der ihnen ihre Rechte erklärte. Es dürfte, dachte sie, nicht schwierig sein, ihnen Adrians rechtmäßiges Erbe zu entreißen.
Sie hatte nicht mit dem
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