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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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»Hervorragend.«
    »Was?«
    »Was hier gerade stattgefunden hat.«
    »Was denn?«
    »Unsere Eheschließung. In einigen der primitivsten Stämme im Amazonasgebiet wärst du soeben meine Frau geworden.«
    »Was würde das bedeuten?«
    »Komm mit mir an den Amazonas, dann erfährst du's.« Er biss von seinem Croissant ab und betrachtete sie aufmerksam. »Ich weiß gar nicht, was damals mit mir los war. Mir ist nie aufgefallen, was für eine scharfe Frau du bist. Wahrscheinlich, weil du vergeben warst.«
    »Ich bin immer noch vergeben«, sagte Deborah.
    »Verheiratet zählt nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Das ist schwer zu erklären.«
    Sie lehnte sich neben ihm an die Mauer, nahm ihm den Kaffeebecher aus der Hand und gönnte sich noch einen Schluck. »Versuch's.«
    »Ach, das ist so ein Ding unter Kerlen. Die Grundregeln. Du kannst eine Frau anmachen, wenn sie Single oder verheiratet ist. Single ist klar, sie ist frei und, seien wir ehrlich, im Allgemeinen auf der Suche nach einem Typen, der ihr bestätigt, dass sie gut aussieht. Also stört es sie nicht, wenn sie angemacht wird. Verheiratet, weil ihr Ehemann sie wahrscheinlich einmal zu oft ignoriert hat, und wenn's nicht so ist, sagt sie dir das gleich ins Gesicht, und du kannst dir die Zeit sparen. Aber eine Frau, die mit einem Typen zusammen, aber nicht mit ihm verheiratet ist, ist absolut tabu. Sie ist gegen jede Anmache immun, und wenn man's bei ihr versucht, kriegt man früher oder später von ihrem Typen zu hören.«
    »Das klingt wie die Stimme der Erfahrung«, stellte Deborah fest.
    Er grinste schief.
    »China meinte gestern Abend, du wärst auf Anmache unterwegs.«
    »Sie sagte, dass du rüberkommen wolltest. Ich hab mich gefragt, warum.«
    »Hier gab es gestern Abend ein paar Spannungen.«
    »Damit ist bei dir Anmache erlaubt. Spannungen sind gut. Komm, nimm noch was.« Er hielt ihr Croissant und Kaffee hin.
    »Um unsere amazonische Heirat zu besiegeln?«
    »Siehst du! Du denkst schon wie eine Südamerikanerin.«
    Sie lachten.
    »Du hättest häufiger nach Orange County kommen sollen«, sagte Cherokee. »Das wäre schön gewesen.«
    »Damit du Gelegenheit gehabt hättest, mich anzumachen?«
    »Nein. Das tu ich ja jetzt.«
    Deborah lachte. Er scherzte natürlich. Aber diese leichte erotische Spannung zwischen ihnen war angenehm, das musste sie zugeben. Sie fragte sich, wann dieses Gefühl in ihrer Ehe auf der Strecke geblieben war, und ob es tatsächlich auf der Strecke geblieben war.
    Cherokee sagte: »Ich wollte dich um Rat bitten. Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich dauernd überlegt hab, was ich tun soll.«
    »Was meinst du?«
    »Ob ich unsere Mutter anrufen soll. China will nicht, dass sie da reingezogen wird. Wenn's nach ihr geht, soll sie überhaupt nichts erfahren. Aber ich finde, sie hat ein Recht darauf. Sie ist immerhin unsere Mutter. China ist der Meinung, dass sie hier sowieso nichts tun kann, und da hat sie auch Recht. Aber sie könnte ja einfach hier sein. Kurz und gut, ich denke, ich ruf sie an. Was meinst du?«
    Deborah überlegte. Chinas Beziehung zu ihrer Mutter war zu ihren besten Zeiten einem Waffenstillstand zwischen Todfeinden vergleichbar gewesen. In den schlimmsten Tagen war sie ein offener Kampf gewesen. Chinas Hass auf ihre Mutter wurzelte tief in einer lieblosen Kindheit. Über ihrem leidenschaftlichen Engagement für soziale und ökologische Belange hatte Andromeda River vergessen, sich um die sozialen und ökologischen Belange ihrer eigenen Kinder zu kümmern. Sie hatte kaum Zeit gehabt für Cherokee und China, die ihre Kindheit und Jugend in Motels mit papierdünnen Wänden verbracht hatten, wo der einzige Luxus eine Eismaschine neben dem Empfang gewesen war. Solange Deborah China kannte, brodelte in dieser ein tiefer Zorn auf ihre Mutter, die sie in solchen Verhältnissen hatte aufwachsen lassen, während sie Protestplakate für gefährdete Tiere, gefährdete Pflanzen und für gefährdete Kinder geschwenkt hatte, die gar nicht so viel anders aufwuchsen als ihre eigenen Kinder.
    »Warte lieber noch ein paar Tage«, erwiderte Deborah. »China ist nervös - wer wäre das in dieser Situation nicht? Wenn sie ihre Mutter jetzt nicht hier haben will, wäre es vielleicht besser, ihre Wünsche zu respektieren. Fürs Erste, jedenfalls.«
    »Du glaubst, es kommt noch schlimmer, richtig?«
    Sie seufzte. »Na ja, die Geschichte mit dem Ring ist nicht gut. Hätte sie ihn nur nicht gekauft.«
    »Ja, das wünsche ich mir

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