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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Kerl gerechnet, der ihr die Tür öffnete, eine widerliche Verkörperung ungekämmter und ungewaschener männlicher Aggressivität. Auf ihre höfliche Frage: »Guten Morgen, wohnen hier die Eltern von Paul Fielder?«, antwortete er: »Kann sein, kann auch nicht sein«, und fixierte dabei demonstrativ ihren Busen.
    Sie sagte: »Sie sind nicht Mr. Fielder, nicht wahr? Nicht der Vater...« Aber nein, der konnte er gar nicht sein. Trotz seines Machogehabes war er höchstens zwanzig. »Sie müssen ein Bruder sein? Ich würde gern mit Ihren Eltern sprechen, wenn sie da sind. Vielleicht sagen Sie ihnen, dass es sich um Ihren Bruder handelt. Paul Fielder ist doch Ihr Bruder?«
    Er hob kurz den Blick von ihrem Busen. »Der kleine Scheißer«, sagte er und trat von der Tür weg.
    Margaret fasste das als Aufforderung zum Eintreten auf, und als der Rüpel sich in Richtung zum hinteren Teil des Hauses entfernte, nahm sie auch das als Einladung und folgte ihm. Sie gelangte in eine enge, kleine Küche, in der es nach ranzigem Schinkenspeck roch und sie allein mit ihm war. Er zündete sich an der Flamme des Gasherds eine Zigarette an, wandte sich ihr zu und sog tief den Rauch ein.
    »Was hat er angestellt?«, fragte Billy Fielder.
    »Er hat einen beträchtlichen Geldbetrag von meinem Mann geerbt, von meinem geschiedenen Mann, genauer gesagt. Er hat das Geld meinem Sohn genommen, dem es von Rechts wegen zusteht. Da ich gern eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung wegen dieser Angelegenheit vermeiden möchte, hielt ich es für das Beste, mit ihren Eltern zu sprechen, um zu sehen, ob sie meiner Meinung sind.«
    »Ah ja?«, sagte Billy Fielder. Er zog seine verdreckte Bluejeans hoch, spreizte die Beine und ließ geräuschvoll einen Wind entweichen, »'tschuldigung«, sagte er. »Bei Damen muss man ja Manieren zeigen. Das vergess ich immer.«
    »Ihre Eltern sind wohl nicht da?« Margaret schob ihre Handtasche über ihren Arm, zum Zeichen, dass sie dieses Gespräch als beendet ansah. »Wenn Sie ihnen ausrichten würden -«
    »Vielleicht sind sie ja oben. Die treiben's am liebsten morgens, wissen Sie. Und Sie? Wann mögen Sie's, hm?«
    Margaret fand, das Gespräch mit diesem Flegel habe lang genug gedauert. Sie sagte: »Richten Sie ihnen bitte aus, dass Margaret Chamberlain - vormals Brouard - hier war. Ich rufe sie später an.« Sie machte kehrt, um auf dem Weg wieder hinauszugehen, auf dem sie hereingekommen war.
    »Margaret Chamberlain, vormals Brouard«, wiederholte Billy Fielder. »Ob ich mir so viel auf einmal merken kann, bezweifle ich. Da brauch ich schon Hilfe. Das ist 'ne echte Ladung.«
    Margaret, schon auf dem Weg zur Haustür, blieb stehen. »Wenn Sie einen Zettel da haben, schreibe ich es Ihnen auf.«
    Sie war im Flur zwischen Küche und Haustür, und der Bursche kam ihr nach. In dem schmalen Korridor wirkte seine Nähe bedrohlicher als dies sonst vielleicht der Fall gewesen wäre, und die Stille im Haus wurde plötzlich bedrückend.
    Billy Fielder sagte: »Ich hab eigentlich weniger an 'nen Zettel gedacht. Zettel helfen mir nie viel.«
    »Tja, dann muss ich eben anrufen und mit ihnen sprechen.« Wieder wandte sich Margaret ab, obwohl sie ihn ungern aus den Augen ließ, und steuerte die Haustür an.
    Er holte sie mit zwei Schritten ein und hielt ihre Hand auf dem Türknauf fest. Sie fühlte seinen Atem heiß in ihrem Nacken. Er drängte sich an sie, so dass sie an die Tür gedrückt wurde. Als er sie dort festgenagelt hatte, ließ er ihre Hand los, fasste nach unten und griff ihr zwischen die Beine. Er packte fest zu und riss sie an sich, während er mit der anderen Hand ihre Brust zusammenquetschte. Es ging alles blitzschnell. »So kann ich mich schon eher erinnern«, nuschelte er.
    Das Einzige, woran Margaret absurderweise denken konnte, war die Zigarette, die er sich zuvor angezündet hatte. Hatte er sie noch in der Hand? Wollte er sie damit brennen?
    Der Irrsinn dieser Überlegungen in einer Situation, in der dieses Vieh bestimmt ganz anderes im Sinn hatte, als sie mit seiner Zigarette zu brennen, ließ sie alle Furcht vergessen. Sie rammte ihm den Ellbogen in die Rippen und den Absatz ihres Stiefels in den Fuß, und in dem Moment, als er losließ, stieß sie ihn weg und rannte zur Tür hinaus. Am liebsten wäre sie geblieben und hätte ihm das Knie in die Eier gedonnert - sie lechzte buchstäblich danach -, aber wenn sie auch, wütend gemacht, eine Tigerin sein konnte, so war sie doch niemals dumm gewesen. Sie

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