12 - Wer die Wahrheit sucht
sich das hier an -« Er zog eines der Blätter heraus und legte es obenauf. Wieder tippte er mit dem Schraubenzieher darauf. »Ist das allen Ernstes ein Innenhof mit einem Swimmingpool? Gott, würde ich mich gern mal mit diesem Idioten unterhalten. Der entwirft wahrscheinlich Häuser in Hollywood und glaubt, ohne ein Fleckchen, wo sich ein paar Zwanzigjährige im Bikini tummeln können, geht's nicht. So eine Raumverschwendung! Das Ganze ist eine einzige Katastrophe! Ich kann nicht glauben, dass Guy -« Er runzelte die Stirn. Beugte sich über die Zeichnung und betrachtete sie genauer. Er schien nach etwas Bestimmtem zu suchen, aber es war nicht etwas, das zum eigentlichen Bau gehörte, denn er suchte an den vier Ecken des Blatts und ließ den Blick dann an seinen Rändern entlangwandern. »Das ist verdammt komisch«, sagte er und schob das Blatt auf die Seite, um das darunter liegende inspizieren zu können. Und so machte er weiter, nahm sich ein Blatt nach dem anderen vor. Schließlich blickte er hoch.
»Was ist?«, fragte St. James.
»Sie müssten signiert sein«, sagte Debiere. »Jedes Einzelne. Aber ich seh nirgendwo eine Unterschrift.«
»Was heißt das?«
Debiere wies auf die Pläne. »Wenn solche Pläne fertig sind, setzt der Architekt seinen Stempel darunter und unterzeichnet eigenhändig mit seinem Namen auf dem Stempel.«
»Ist das eine Formalität?«
»Nein. Das ist unerlässlich. Daran sieht man, ob es sich um legitime Pläne handelt. Keine Planungs- oder Baubehörde genehmigt Ihnen Pläne, die nicht abgestempelt sind, und kein Bauunternehmer wird auf Grund solcher Pläne Ihren Auftrag annehmen.«
»Na schön, wenn sie nicht legitim sind, was können sie dann sein?«, fragte St. James.
Debiere blickte von St. James zu den Plänen und wieder zu St. James. »Gestohlen«, antwortete er.
Sie schwiegen, beide in die Betrachtung der Zeichnungen auf dem Tisch vertieft. Irgendwo draußen fiel krachend eine Tür zu, und eine Kinderstimme rief: »Daddy, Mami hat für dich auch Plätzchen gebacken.«
Debiere riss sich aus seinen Gedanken. Er runzelte die Stirn und versuchte zu begreifen, was unbegreiflich schien: eine Riesenversammlung von Inselbewohnern und anderen Leuten in Le Reposoir, alles da, was Rang und Namen hat, ein großes gesellschaftliches Ereignis, eine überraschende Bekanntmachung, ein festliches Feuerwerk zur Feier des Abends, Anwesenheit von Presse und Fernsehen.
Seine Söhne riefen: »Daddy! Daddy! Komm zum Abendessen!«, aber Debiere schien sie nicht zu hören. Er murmelte: »Aber was hatte er nur vor?«
Die Antwort auf diese Frage, dachte St. James, würde einiges dazu beitragen, Licht ins Dunkel dieses Mordfalls zu bringen.
Es erwies sich als nicht allzu schwierig, einen Anwalt zu finden. Margaret Chamberlain und ihr Sohn ließen den Range Rover auf dem Parkplatz eines Hotels am St. Ann's Place stehen und marschierten zu Fuß erst einen Berg hinunter und dann einen hinauf. Ihr Weg führte sie am Royal Court House vorbei, was Margaret vermuten ließ, dass es in dieser Gegend wahrscheinlich Anwälte wie Sand am Meer gab. So schlau war Adrian wenigstens gewesen. Auf sich gestellt hätte sie sich auf das Telefonbuch und einen Stadtplan von St. Peter Port verlassen und herumtelefonieren müssen, ohne eine Ahnung zu haben, wo ihre Anrufe landeten. So jedoch erübrigte sich das. Sie konnte die Zitadelle ihrer Wahl erstürmen und, die Situation zufrieden stellend unter Kontrolle, einen juristischen Fachmann anheuern, der tun würde, was sie ihm sagte.
Sie entschied sich schließlich für die Kanzlei Gibbs, Grierson und Godfrey. Die Alliteration war albern, aber die Haustür war beeindruckend, und die robuste Schrift auf dem Messingschild daneben ließ auf ein Durchsetzungsvermögen schließen, wie Margarets Mission es erforderte. Ohne Anmeldung rauschte sie mit ihrem Sohn in die Kanzlei und verlangte einen der namensgebenden Herren der Sozietät zu sprechen, wobei sie heldenhaft den Impuls unterdrückte, Adrian anzuherrschen, er solle sich gerade halten. Es reichte fürs Erste, sagte sie sich beschwichtigend, dass er vorhin ihr zuliebe und um sie zu beschützen diesen kleinen Rowdy Paul Fielder niedergerungen hatte.
Wie das Schicksal es wollte, befand sich an diesem Nachmittag keiner der Mitbegründer des Unternehmens in der Kanzlei. Einer hatte vier Jahre zuvor das Zeitliche gesegnet, und die beiden anderen waren ihrem Praktikanten zufolge in wichtigen juristischen Angelegenheiten
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