12 - Wer die Wahrheit sucht
das Museum wichtig war. Das weiß sie, auch ohne dass ich ihr das sage.«
»Ich meine nicht, zugänglich für Vorschläge bezüglich der Fortführung des Projekts«, erklärte St. James. »Ich meinte bezüglich des Entwurfs. Zugänglicher vielleicht als ihr Bruder. Haben Sie schon mit ihr gesprochen? Haben Sie die Absicht, es zu tun?«
»O ja«, antwortete Debiere. »Ich habe ja gar keine andere Wahl.«
»Und wie kommt das?«
»Schauen Sie sich um, Mr. St. James. Ich habe zwei Kinder, und ein drittes Kind ist unterwegs. Ich habe meine Frau überredet, ihre Arbeit aufzugeben, damit sie ihren Roman schreiben kann. Das Haus ist mit einer Hypothek belastet, und am Trinity Square habe ich ein neues Büro mit einer Sekretärin, die erwartet, regelmäßig bezahlt zu werden. Ich brauche den Auftrag. Wenn ich ihn nicht bekomme... Natürlich werde ich mit Ruth sprechen. Ich werde für meine Sache eintreten. Ich werde alles tun.«
Er merkte offenbar selbst, wie seine letzten Worte sich interpretieren ließen, denn er trat unvermittelt vom Baum weg und kehrte zu dem Holzstapel am Rand des Rasens zurück. Er zog die blaue Plastikplane rund um den Bretterstapel in die Höhe, ergriff die ordentlich gewickelte Rolle Schnur, die darunter zum Vorschein kam, und verschnürte sorgsam die Plane über dem Holz. Als er damit fertig war, begann er, seine Werkzeuge aufzusammeln.
St. James folgte ihm, als er Hammer, Nägel, Wasserwaage und Maßband zu einem adretten Geräteschuppen am Ende des Gartens trug und sie dort auf einem Bord über einem Arbeitstisch verstaute. Auf diesen Arbeitstisch legte St. James die Pläne, die er aus Le Reposoir mitgenommen hatte. In erster Linie hatte er eigentlich feststellen wollen, ob Henry Moullins kunstvolle Fenster für den Entwurf brauchbar waren, für den Brouard sich entschieden hatte, jetzt aber hatte er erfahren, dass Moullin nicht der Einzige war, für den die Mitarbeit an der Errichtung des Kriegsmuseums möglicherweise eine Existenzfrage war.
Er sagte: »Das sind die Pläne, die der amerikanische Architekt Mr. Brouard geschickt hat. Ich verstehe leider von solchen Dingen gar nichts. Würden Sie sich die einmal ansehen und mir sagen, was Sie von ihnen halten? Es scheinen mehrere Pläne unterschiedlicher Art zu sein.«
»Ich habe Ihnen doch schon gesagt, was ich von dem Entwurf halte.«
»Vielleicht möchten Sie noch etwas hinzufügen, wenn Sie diese Pläne gesehen haben.«
Die Blätter waren groß, gut über einen Meter lang und beinahe ebenso breit. Debiere erklärte sich seufzend bereit, sie sich anzusehen, und ergriff einen Hammer, um die Blätter an einem Ende zu beschweren.
Es waren keine Blaupausen. Blaupausen, teilte Debiere St. James mit, seien den gleichen Weg gegangen wie Kohlepapier und Schreibmaschinen. Hier handelte es sich um Schwarz-Weiß-Dokumente, die aussahen wie von einer gigantischen Kopiermaschine ausgeworfen, und während Debiere die Blätter durchsah, erklärte er jedes Einzelne: schematische Darstellungen aller Stockwerke des Gebäudes; Konstruktionszeichnungen mit Beschriftungen zur Kennzeichnung des Deckenplans, der Elektroplanung, der Haustechnikplanung, der Gebäudeschnitte; der Lageplan, der zeigte, wie das Gebäude auf dem dafür vorgesehenen Gelände stehen würde; die Aufrisspläne.
Debiere schüttelte immer wieder den Kopf, während er die Pläne durchsah. »Absurd«, murmelte er. Und: »Was hat dieser Idiot sich dabei gedacht?« Er wies auf die unmöglichen Dimensionen der Räume innerhalb des Bauwerks hin. »Wie, zum Teufel«, fragte er und tippte mit einem Schraubenzieher auf einen, »soll das eine Galerie werden? Oder ein Ausstellungssaal? Oder wozu es sonst vorgesehen ist. Schauen Sie sich das doch mal an. In so einen Raum könnten sie bequem drei Personen unterbringen, aber das wär's auch schon. Der ist ja nicht größer als eine Zelle. Und sie sind alle so.«
St. James sah sich die schematische Darstellung an, auf die der Architekt hinwies. Ihm fiel auf, dass auf der Zeichnung nichts gekennzeichnet war, und er fragte Debiere, ob das so üblich sei. »Würde man normalerweise nicht jeden Raum seiner Funktion gemäß benennen?«, fragte er. »Warum fehlen diese Bezeichnungen auf den Zeichnungen?«
»Wer, zum Teufel, kann das wissen«, meinte Debiere wegwerfend. »Schlamperei, vermute ich. Kein Wunder, wenn man sich überlegt, dass er seinen Entwurf abgegeben hat, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, das Gelände zu besichtigen. Und schauen Sie
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