12 - Wer die Wahrheit sucht
recht deutlich, wie sehr sie hoffte, das möge der Fall sein. Ihr Mann sei ein hervorragender Architekt, erklärte sie St. James. Wer ein Haus bauen wolle, eine Renovierung oder Erweiterung eines bestehenden Gebäudes wünsche, sei gut beraten, Bertrand Debiere mit der Planung zu beauftragen.
St. James sagte, er wolle Mr. Debiere gern einige bereits existierende Pläne zur Begutachtung vorlegen. Er habe in seinem Büro vorgesprochen, aber eine Sekretärin dort habe ihm gesagt, dass Mr. Debiere bereits nach Hause gegangen sei. Daraufhin habe er sich erlaubt, im Telefonbuch nachzuschlagen, um die Privatadresse Mr. Debieres ausfindig zu machen. Er hoffe, er komme nicht ungelegen...
Gar nicht. Caroline würde ihren Mann sofort holen, wenn Mr. St. James nichts dagegen habe, sich einen Moment ins Wohnzimmer zu setzen.
Aus dem Garten hinter dem Haus erschallte fröhliches Geschrei. Das Geräusch eines Hammers folgte, das klang, als würde ein Nagel in Holz geschlagen. Darauf sagte St. James, er wolle Mr. Debiere nicht von seiner Tätigkeit wegholen, er würde, wenn Mrs. Debiere nichts dagegen habe, einfach zu ihm und den Kindern in den Garten hinausgehen.
Caroline Debiere wirkte erleichtert, und vermutlich froh darüber, noch eine Weile ungestört in ihrer Arbeit fortfahren zu können. Sie führte St. James zur Hintertür, die in den Garten hinausführte.
Bertrand Debiere war, wie St. James sofort sah, einer der beiden Männer, die sich am Vortag aus dem Zug zu Guy Brouards Grabstätte in Le Reposoir entfernt und abseits ein intensives Gespräch geführt hatten. Er war ein hoch aufgeschossener, tollpatschig wirkender Mann, der an gewisse Figuren in Dickens' Romanen erinnerte, und hockte im Moment in den untersten Ästen einer Platane, wo er gerade etwas zusammenzimmerte, was vermutlich der Boden eines Baumhauses für seine Söhne werden sollte. Die beiden Jungen bemühten sich nach Kinderart zu helfen: Der Ältere reichte seinem Vater aus einem Lederbeutel, den er um den Hals hängen hatte, Nägel hinauf, der Jüngere kauerte unter dem Baum und schlug mit einem Plastikhammer auf ein Stück Holz ein, wobei er unaufhörlich sang: »Sie hämmern, sie hämmern, sie hämmern den ganzen Tag...«
Debiere sah St. James über den Rasen kommen, aber er schlug noch den Nagel ein, den er gerade in der Hand hatte, ehe er ihn begrüßte. Der Blick des Mannes, der St. James' Hinken wahrgenommen hatte, suchte die Ursache dafür - die Beinschiene, deren Querstück sich unter den Schuhabsatz schob -, wanderte dann aber aufwärts und blieb, wie zuvor der seiner Frau, auf der Papierrolle unter St. James' Arm liegen.
Debiere sprang vom Baum herab und sagte zu dem älteren Jungen: »Bert, geh jetzt mit deinem Bruder rein. Mama hat die Plätzchen fertig. Aber jeder nur eines, verstanden? Sonst verderbt ihr euch den Appetit fürs Abendbrot.«
»Die Zitronenplätzchen?«, fragte der Junge. »Hat sie Zitronenplätzchen gebacken, Papa?«
»Ich nehme es an. Die wolltet ihr doch haben, nicht?«
»Die Zitronenplätzchen!«, flüsterte Bert seinem kleinen Bruder zu.
Diese Verheißung veranlasste beide Jungen, alles stehen und liegen zu lassen und mit lautem »Mami, Mami, wir wollen unsere Plätzchen haben« ins Haus zu laufen, wo die Ungestörtheit ihrer Mutter ein Ende hatte. Debiere sah ihnen mit liebevollem Blick nach, ehe er sich bückte, um den Lederbeutel aufzuheben, den Bert abgeworfen hatte, ohne sich darum zu kümmern, dass dabei die Hälfte des Inhalts im Gras gelandet war.
Während Debiere die Nägel aufsammelte, stellte St. James sich vor und erklärte seine Verbindung zu China River. Er sei auf Bitte des Bruders der Beschuldigten hergekommen, sagte er, und die Polizei sei von seinen privaten Nachforschungen unterrichtet.
»Was für Nachforschungen?«, fragte Debiere. »Die Polizei hat doch die Mörderin schon.«
St. James wollte sich nicht auf eine Diskussion über China Rivers Schuld oder Unschuld einlassen, deshalb wies er nur auf die Papierrolle unter seinem Arm und fragte den Architekten, ob er sich die Pläne freundlicherweise einmal ansehen würde.
»Was sind das für Pläne?«
»Es sind die Pläne zu dem Entwurf, den Mr. Brouard für das Kriegsmuseum auswählte. Sie haben sie noch nicht gesehen, nicht wahr?«
Debiere hatte, wie er erklärte, nur das gesehen, was alle anderen auf Brouards Fest auch gesehen hatten: die detaillierte 3-D-Zeichnung, die den Entwurf des amerikanischen Architekten darstellte.
»Absoluter
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