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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Schwuchtel«, rief er Paul zu. »Hast dich wohl wieder mal im öffentlichen Pissoir rumgetrieben? Ich hab dich ja gewarnt!«
    Paul drückte sich zitternd ans Kopfbrett seines Betts. Er sah, dass einer seiner jüngeren Brüder Taboo am Halsband hielt. Der Hund bellte unaufhörlich, und einer der Constables sagte: »Würde mal einer den Köter ruhig stellen?«
    »Haben Sie 'ne Pistole da?«, fragte Billy lachend.
    »Bill!«, rief Mave. Und gleich darauf: »Ol? Ol? Was hat das zu bedeuten?«
    Aber Ol Fielder wusste es natürlich auch nicht.
    Taboo bellte weiter. Er zog und zerrte, um sich zu befreien.
    Der Constable sagte scharf: »Kümmern Sie sich endlich um den verdammten Köter!«
    Paul wusste, dass Taboo nur losgelassen werden wollte. Er wollte sich nur vergewissern, dass Paul nichts geschehen war.
    Der andere Constable sagte: »Augenblick mal. Lass mich...« Und er packte Taboo beim Halsband, um ihn wegzuziehen.
    Der Hund fletschte die Zähne und schnappte. Der Constable schrie auf und versetzte ihm einen Tritt. Paul sprang vom Bett, um seinem Hund zu Hilfe zu kommen, doch Taboo rannte jaulend die Treppe hinunter.
    Paul wollte ihm nach und wurde festgehalten. Seine Mutter rief immer wieder: »Was hat er denn getan? Was hat er denn getan?«, und Billy lachte wie ein Verrückter. Paul rutschte aus, suchte strampelnd Halt und traf mit einem Fuß versehentlich den Constable am Bein. Der Mann stöhnte auf und ließ Paul los. Paul packte seinen Rucksack und rannte zur Tür. »Aufhalten!«, rief jemand.
    Das war schnell geschehen. Es waren so viele Leute im Zimmer, dass man sich kaum bewegen, geschweige denn verstecken konnte. Ruckzuck wurde Paul eingefangen und die Treppe hinunter aus dem Haus geführt.
    Von dem Moment an existierte er in einem Wirbel von Bildern und Klängen. Er hörte seine Mutter immer wieder fragen, was sie von ihrem kleinen Paulie wollten, er hörte seinen Vater sagen: »Mave, beruhig dich doch!« Er hörte Billy lachen und irgendwo hörte er Taboo bellen. Draußen sah er die Nachbarn auf der Straße stehen. Der Himmel über ihnen war zum ersten Mal seit Tagen blau, und die Bäume rund um den Parkplatz hoben sich wie mit Kohle gezeichnet von ihm ab.
    Bevor er wusste, wie ihm geschah, saß er hinten in einem Polizeiauto, den Rucksack an seine Brust gedrückt. Er hatte kalte Füße, und als er hinunterschaute, sah er, dass er keine Schuhe trug. Seine Füße steckten noch in den ausgetretenen alten Hausschuhen, und niemand hatte daran gedacht, ihm Zeit zu lassen, sich eine Jacke überzuziehen.
    Die Autotür fiel zu, und der Motor heulte auf. Paul hörte seine Mutter immer weiter schreien. Er drehte den Kopf, als der Wagen sich in Bewegung setzte. Er schaute zurück, bis seine Familie nicht mehr zu sehen war.
    Da kam plötzlich hinter dem Knäuel der Gaffer Taboo hervorgeschossen. Laut kläffend und mit fliegenden Ohren jagte er dem Polizeiauto hinterher.
    »Dieser dämliche Köter«, knurrte der Constable, der den Wagen fuhr. »Wenn der nicht bald umkehrt -«
    »Nicht unser Problem«, sagte der andere. Sie verließen Le Bouet und bogen in die Pitronnerie Road ein.
    Als sie Le Grand Bouet erreichten und beschleunigten, war Taboo immer noch hinter ihnen.
    Deborah und China hatten Mühe, Cynthia Moullins Zuhause in La Corbiere zu finden. Man hatte ihnen gesagt, das Haus werde nur das Muschelhaus genannt, sie könnten es gar nicht verfehlen, obwohl es an einer schmalen Straße liege. Aber erst beim dritten Anlauf bemerkten sie endlich einen Briefkasten, der mit Austernschalen verziert war, und schlossen daraus, dass sie endlich am Ziel waren. Deborah lenkte den Wagen auf das Grundstück, wo sie statt eines Gartens ein Trümmerfeld aus Muscheln erwartete.
    »Das ehemalige Muschelhaus«, kommentierte Deborah. »Kein Wunder, dass wir es nicht gleich gefunden haben.«
    Der Ort schien verlassen: kein Auto in der Einfahrt, eine abgeschlossene Scheune, geschlossene Vorhänge hinter den Fenstern mit den Rautenscheiben. Aber als sie aus dem Auto stiegen, bemerkten sie eine junge Frau, die auf der anderen Seite dieses ehemals fantastischen Gartens kauerte. Sie hielt einen kleinen, mit Muscheln verzierten Wunschbrunnen umschlungen, den blonden Kopf auf seinen Rand gelegt. Sie sah ein wenig aus wie eine Statue der Viola nach dem Schiffbruch, und sie rührte sich auch nicht, als Deborah und China sich näherten.
    Aber sie sprach. Sie sagte: »Geh weg. Ich will dich nicht sehen. Ich hab Oma angerufen, und sie hat

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