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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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die Worte seines Vaters, obwohl wohlwollend gemeint, für Billy die Kampfansage waren, die er suchte. Er schleppte seine Wut schon seit Monaten mit sich herum und wartete auf eine Gelegenheit, ihr Luft zu machen. Es war noch schlimmer geworden, als ihr Vater die Arbeit beim Straßenbau angenommen und Billy zurückgelassen hatte, seine Wunden zu lecken. »Das ist der einzige Unterschied, was, Dad? Sonst gibt's keinen, hä?«
    »So ist es, Bill.«
    Bill kam einen Schritt ins Zimmer herein. Paul duckte sich in sein Bett. Billy war genauso groß wie sein Vater, und Ol, wenn auch dem Sohn an Gewicht überlegen, war viel zu friedfertig. Außerdem konnte er sich nicht leisten, seine Kraft bei Raufereien zu vergeuden. Er brauchte alle seine Kräfte, um Tag für Tag mit den Männern des Straßenbaus mithalten zu können. Und schließlich war er noch nie ein Mann gewesen, der sich prügelte. Genau das war natürlich in Billys Augen die Schmach: dass ihrem Vater der Kampfgeist fehlte. Alle Standbetreiber in den Markthallen von St. Peter Port waren informiert worden, dass ihre Mietverträge nicht erneuert würden, weil die Hallen geschlossen und zu einem modernen Einkaufszentrum mit schicken Boutiquen, Antiquitätengeschäften, Espressobars und Touristenläden umgebaut werden sollten. Sie würden weichen müssen - all die Metzger und Fischhändler und Lebensmittelhändler - und es war ihnen überlassen, zu warten, bis ihre Mietverträge abgelaufen waren, oder lieber gleich das Feld zu räumen. Den maßgeblichen Leuten war es einerlei, Hauptsache, sie würden rechtzeitig verschwunden sein.
    »Wir wehren uns«, hatte Billy abends beim Essen geschworen. Abend für Abend hatte er Pläne geschmiedet. Wenn sie nicht gewinnen konnten, würden sie die Hallen abfackeln. Niemand durfte den Fielders ihr Geschäft wegnehmen, ohne dafür zu bezahlen.
    Aber er hatte die Rechnung ohne seinen Vater gemacht. Ol Fielder war ein friedliebender Mensch.
    Wie sich das auch in diesem Moment zeigte, als Billy, der nur eine Gelegenheit zum Angriff wartete, versuchte, ihn zum Kampf zu reizen.
    Ol Fielder sagte: »Ich muss zur Arbeit, Bill. Am besten suchst du dir auch einen Job.«
    »Ich hatte einen Job«, entgegnete Billy. »Den gleichen wie du. Den gleichen wie mein Großvater und mein Urgroßvater.«
    Ol schüttelte den Kopf. »Die Zeiten sind vorbei, Junge.« Er wandte sich zur Tür.
    Billy packte ihn beim Arm. »Du«, sagte er, »bist ein nutzloses Stück Scheiße«, und als Paul einen erstickten Protestschrei ausstieß, fuhr Billy ihn an: »Und du hältst dich da gefälligst raus, blöder Wichser.«
    »Ich geh jetzt zur Arbeit, Bill«, sagte Ol Fielder.
    »Du gehst nirgendwo hin. Wir reden jetzt endlich mal darüber. Jetzt gleich. Und du schaust dir an, was du getan hast.«
    »Die Dinge ändern sich«, sagte Ol Fielder zu seinem Sohn.
    »Weil du dich nicht dagegen wehrst«, entgegnete Billy. »Das hat uns gehört. Das war unsere Arbeit. Unser Geld. Unser Geschäft. Großvater hat's dir hinterlassen. Sein Vater hat es aufgebaut und ihm hinterlassen. Aber hast du vielleicht darum gekämpft? Hast du versucht, es zu retten?«
    »Ich konnte es nicht retten, und das weißt du, Bill.«
    »Es sollte mal meines werden, so wie es deines war. Das war die Arbeit, die ich tun sollte.«
    »Es tut mir Leid«, sagte Ol.
    »Es tut dir Leid?« Billy riss seinen Vater am Arm. »Das bringt einen Scheißdreck. Das ändert überhaupt nichts.«
    »Und was würde etwas ändern?«, fragte Ol Fielder. »Lass meinen Arm los.«
    »Warum? Hast du Schiss, dass es wehtut? Hast du dich deshalb nicht gewehrt? Weil du Schiss gehabt hast, dass sie dich ein bisschen durch die Mangel drehen, Dad? Dass du Prügel kriegst? Ein paar blaue Flecken vielleicht?«
    »Ich muss an meine Arbeit, Junge. Lass mich los. Treib es nicht zu weit, Billy.«
    »Ich tu, was ich will. Und du gehst, wenn ich dich gehen lass. Jetzt reden wir erst mal.«
    »Das ist doch sinnlos. Es ist, wie es ist.«
    »Sag das nicht noch mal!« Billys Stimme wurde laut. »Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich hab in der Metzgerei gearbeitet, seit ich zehn Jahre alt war. Ich hab das Geschäft gelernt, und ich war gut. Das war meine Arbeit, Dad. Jahrelang. Blut an meinen Händen und meinen Kleidern. Der Geruch war so stark, dass sie mich Bluthund genannt haben. Weißt du das, Dad? Aber mir hat's nichts ausgemacht, weil das mein Leben war. Ich war dabei, mir was aufzubauen. Der Stand hat mir gehört, und jetzt ist nichts davon

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