12 - Wer die Wahrheit sucht
lächelte.
»In der Firma ist natürlich alles über Computer gelaufen«, sagte sie. »Aber privat hat Guy lieber am Althergebrachten festgehalten.«
»Na ja, es ist schon ein wenig...« St. James suchte nach einem freundlichen Wort.
»- antiquiert«, sagte sie. »Eigentlich gar nicht die Art meines Bruders. Aber mit dem Computer hat er sich nie angefreundet. Bei Tastentelefon und Mikrowellenherd war für ihn die Grenze. Aber Sie werden sehen, es ist alles sehr übersichtlich. Guy hat seine Bücher sehr ordentlich geführt.«
Als St. James sich setzte und das Rechnungsbuch aufschlug, brachte sie zwei weitere Bücher und erklärte, dass jedes einen Zeitraum von drei Jahren umfasse. Ihr Bruder habe keine großen Ausgaben gehabt, da der größte Teil des Vermögens ja auf ihren Namen eingetragen sei und sie daher die Kosten für Instandhaltung und Unterhalt von Le Reposoir getragen habe.
St. James nahm sich das letzte Rechnungsbuch vor und überprüfte die finanziellen Transaktionen in den vergangenen drei Jahren. Er brauchte nicht lange, um festzustellen, wie Guy Brouard sein Geld in dieser Zeit ausgegeben hatte. Das meiste war Anaïs Abbott zugute gekommen. Immer wieder hatte Brouard für seine Geliebte tief in die Tasche gegriffen. Er hatte alles bezahlt, was gerade anfiel - Schönheitsoperation, Grundsteuer, Hypothekenraten, Urlaube in der Schweiz und Belize, einen Model-Kurs für ihre Tochter. Darüber hinaus hatte er Geld für den Kauf eines Mercedes-Benz ausgegeben, für zehn Skulpturen, die durch Titel und Namen des Künstlers identifiziert waren, für ein Darlehen an Henry Moullin, das mit dem Vermerk »für Schmelzofen« versehen war, und, wie es aussah, für Darlehen oder Geschenke an seinen Sohn. In jüngerer Zeit hatte er allem Anschein nach ein Grundstück in St. Saviour erworben und Zahlungen an Bertrand Debiere sowie an die Schreinerei De Carteret, an die Installationsfirma Burton-Terry und die Elektrofirma Tissier geleistet.
Aus diesen Vorgängen schloss St. James, dass Brouard ursprünglich vorgehabt hatte, das Kriegsmuseum zu bauen und Debiere die Bauleitung zu übertragen. Alle Zahlungen jedoch, die auch nur im Entferntesten mit dem Bau zu tun haben könnten, hatten vor neun Monaten aufgehört. An die Stelle der sorgfältigen Eintragungen, mit denen Brouard bisher alle Vorgänge belegt hatte, trat jetzt eine Kolumne von Zahlen, die mit einer Klammer zu einer Gruppe zusammengefasst waren, ohne dass jedoch ein Empfänger angegeben war. Aber St. James hatte eine recht gute Ahnung, wer der ungenannte Empfänger war: International Access. Die Zahlen stimmten mit denen überein, die die Bank Le Gallez zur Verfügung gestellt hatte. St. James vermerkte, dass die letzte Zahlung - der höchste Betrag von allen - genau an dem Tag aus Guernsey abgegangen war, an dem die Geschwister River auf der Insel eingetroffen waren.
St. James bat Ruth Brouard um einen Taschenrechner, und sie nahm einen aus der Schreibtischschublade. Er addierte die Zahlungen an den ungenannten Empfänger und kam auf eine Summe von mehr als zwei Millionen Pfund.
»Mit welchem Betrag hat Ihr Bruder angefangen, als Sie hierher übersiedelt sind?«, fragte er Ruth. »Sie sagten, dass er damals fast alles auf Sie überschrieben hat, sich aber einen Teil für seine persönlichen Ausgaben zurückbehielt. Wissen Sie, wie viel das war?« »Anderthalb Millionen Pfund«, antwortete sie. »Er meinte, von den Zinsen könne er gut leben, wenn er es richtig anlege. Warum? Stimmt etwas...?«
Das nicht ließ sie unausgesprochen. Die Frage erübrigte sich. Mit den finanziellen Transaktionen ihres Bruders in den letzten Monaten vor seinem Tod stimmte ja ganz offensichtlich etwas nicht.
Das Klingeln des Telefons enthob St. James fürs Erste einer Antwort. Ruth ging an den Apparat, der auf dem Schreibtisch stand, und reichte den Hörer an St. James weiter.
»Du hast dich bei der Rezeptionistin in deinem Hotel nicht gerade beliebt gemacht«, sagte Thomas Lynley. »Sie meint, du sollst dir ein Handy zulegen. Ich gebe die Empfehlung hiermit weiter.«
»Verstanden. Hast du was herausbekommen?«
»O ja. Das Ganze ist richtig spannend, ich glaube allerdings nicht, dass du über meine Neuigkeiten erfreut sein wirst. Die Sache hat nämlich einen Haken.«
»Lass mich raten: In Bracknell gibt's keine Firma namens International Access.«
»Richtig. Ich habe mit einem alten Arbeitskollegen telefoniert, der in Hendon bei der Sitte ist. Er wollte sich die
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