Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
dass er morgen bei der Botschaft nicht das erreicht, was er will. Ich vermute, die haben dort schon mit der Polizei in Guernsey gesprochen. Wenn sie niemanden rübergeschickt haben...« Deborah spürte, wie ihr Mann mit den Schultern zuckte. »Dann spricht alles dafür, dass sie nicht vorhaben, irgendwas zu tun.«
    Deborah richtete sich auf. »Du glaubst doch nicht, dass China diesen Mord tatsächlich begangen hat?«
    »Aber nein.« Er zog sie wieder an sich. »Ich wollte damit nur sagen, dass sie sich in den Händen der Polizei eines fremden Landes befindet und die Botschaft möglicherweise nicht bereit ist, etwas zu unternehmen, was über das amtliche Protokoll und die übliche Verfahrensweise hinausgeht. Darauf sollte Cherokee vorbereitet sein. Und wenn es so sein sollte, wird er vielleicht jemanden brauchen, der ihm den Rücken stärkt. Vielleicht ist er sogar aus diesem Grund hierher gekommen.«
    Simons Stimme war bei der letzten Bemerkung leiser geworden, und Deborah hob wieder den Kopf, um ihn anzusehen. »Was?«
    »Nichts.«
    »Das ist doch nicht alles, Simon, ich höre es an deiner Stimme.«
    »Bist du die Einzige, die er in London kennt?«
    »Wahrscheinlich, ja.«
    »Aha.«
    »Aha?«
    »Dann wird er dich vielleicht brauchen, Deborah.«
    »Und würde dich das stören?«
    »Nein, das nicht. Aber gibt es nicht noch andere nahe Angehörige?«
    »Nur ihre Mutter.«
    »Die Baumbesetzerin. Tja, es wäre vielleicht ratsam, sie anzurufen. Was ist mit dem Vater? Du sagtest, die beiden hätten verschiedene Väter.«
    Deborah verzog das Gesicht. »Ihrer ist im Gefängnis, Simon. Das war er zumindest, als wir zusammenwohnten.« Als sie Simons Irritation bemerkte - hinter der vielleicht das Klischee vom Apfel steckte, der nicht weit vom Stamm fällt -, fügte sie hinzu: »Es war nichts Schlimmes. Ich meine, er hatte niemanden umgebracht. China hat nie viel über ihn gesagt, aber ich weiß, dass er mit Drogen zu tun hatte. Ein geheimes Labor irgendwo? Ja, ich glaube, das war's. Er hat jedenfalls nicht auf der Straße gestanden und mit Heroin gedealt.«
    »Das ist immerhin ein Trost.« »Sie ist nicht wie er, Simon.«
    Sie nahm sein Brummen als Zeichen widerwilliger Zustimmung.
    Danach lagen sie schweigend beieinander, glücklich in ihrer Zweisamkeit, ihr Kopf auf seiner Brust, seine Finger in ihrem Haar.
    In Momenten wie diesem liebte Deborah ihren Mann auf eine andere Art. Sie fühlte sich ihm eher gleichwertig. Diese Wahrnehmung entsprang nicht nur ihrem ruhigen Gespräch, sondern auch - und für sie war das vielleicht das Wichtigere - dem, was dem Gespräch vorausgegangen war. Dass ihr Körper ihm solche Lust bereiten konnte, schien das Ungleichgewicht zwischen ihnen aufzuheben, und dass sie diese Lust miterleben durfte, erlaubte ihr, sich ihrem Mann für den Moment sogar überlegen zu fühlen. Aus diesem Grund war für sie die eigene Lust seit langem zweitrangig geworden, worüber die emanzipierten Frauen ihrer Welt entsetzt gewesen wären, wie Deborah wusste. Aber so war es nun einmal.
    »Ich habe mich schrecklich benommen«, murmelte sie schließlich. »Heute Abend, meine ich. Es tut mir Leid, Liebster. Ich mache es dir wirklich nicht leicht.«
    Simon hatte keine Mühe, ihrem Gedankensprung zu folgen. »Ja, Erwartungen sind etwas Tückisches. Im Voraus geplante Enttäuschungen.«
    »Stimmt, ich hatte alles genau geplant. Massen von Leuten, die - Champagnergläser in der Hand - voll ehrfürchtiger Bewunderung vor meinen Bildern stehen. ›Mein Gott, die Frau ist ein Genie‹, sagt einer zum anderen. ›Allein diese Idee, eine Polaroid zu nehmen... Ich muss auf der Stelle so ein Bild haben... Ach, was sage ich! Ich muss mindestens zehn haben.‹«
    »›Die neue Wohnung in Canary Wharf schreit geradezu nach solchen Fotos‹«, fügte Simon hinzu.
    »›Ganz zu schweigen vom Sommerhaus in den Cotswolds.‹«
    »›Und der Villa bei Bath.‹«
    Sie lachten. Dann schwiegen sie. Deborah richtete sich auf, um ihren Mann anzusehen.
    »Es tut immer noch weh«, bekannte sie. »Nicht mehr so stark, lange nicht mehr. Aber ein bisschen schon noch.«
    »Ja«, sagte er. »Schnellen Trost gibt es nicht, wenn einem etwas verwehrt wird. Wir alle wollen haben, was wir ersehnen. Und wenn wir es nicht bekommen, so heißt das nicht, dass wir aufhören, uns danach zu sehnen. Das weiß ich nur zu gut. Glaub mir. Das weiß ich.«
    Sie sah schnell von ihm weg, als sie begriff, dass das, wovon er sprach, weit tiefer ging als der Stich der

Weitere Kostenlose Bücher