12 - Wer die Wahrheit sucht
Enttäuschung dieses Abends. Sie war dankbar, dass er verstand, immer verstanden hatte, auch wenn seine Kommentare zu ihrem Leben noch so sehr von kühler Sachlichkeit und scharfer Logik bestimmt schienen. In ihren Augen brannten Tränen, aber die sollte er nicht sehen. Sie wollte ihm in diesem Moment die Akzeptanz der Ungerechtigkeit des Lebens zum Geschenk machen. Als es ihr gelungen war, den Schmerz zurückzudrängen, wandte sie sich ihm wieder zu und sagte in einem Ton, von dem sie hoffte, er drücke Entschlossenheit aus: »Ich werde mal richtig in mich gehen. Vielleicht werde ich ganz neue Wege beschreiten.«
Er betrachtete sie auf die für ihn typische Art, mit einem unverwandten Blick, der selbst Anwälte nervös machte, wenn er als Gutachter vor Gericht aussagte, und seine Studenten unweigerlich zum Stottern brachte. Doch für sie war der Blick gemildert durch sein Lächeln.
»Wunderbar«, sagte er, als er sie erneut an sich zog. »Ich würde gern sofort ein paar Vorschläge machen.«
Deborah war schon vor Tagesanbruch aufgestanden. Nachdem sie stundenlang wach gelegen hatte, war sie schließlich in einen unruhigen Schlaf gefallen, der sie durch ein Labyrinth unverständlicher Träume geführt hatte. Sie war wieder in Santa Barbara, aber nicht als diejenige, die sie damals gewesen war - eine junge Studentin am Brooks Institute for Photography -, sondern als eine ganz andere, eine Art Ambulanzfahrerin, die schnellstens ein Spenderherz zur Transplantation aus einem Krankenhaus abholen musste, das sie nicht finden konnte. Ohne die Lieferung würde der Patient, der aus irgendeinem Grund nicht in einem Operationssaal lag, sondern in der Autoreparaturwerkstatt der Tankstelle, hinter der sie und China früher gewohnt hatten, innerhalb einer Stunde sterben, zumal sein Herz bereits entfernt worden und nur noch ein klaffendes Loch in seiner Brust vorhanden war. Ob der Patient, der teilweise verhüllt auf der erhöhten Plattform der Werkstatt lag, ein Mann oder eine Frau war, war nicht zu erkennen.
In ihrem Traum raste sie verzweifelt durch die von Palmen gesäumten Straßen, ohne ihrem Ziel näher zu kommen. Sie konnte sich an nichts in Santa Barbara erinnern, und niemand war bereit, ihr mit einer Beschreibung des Wegs zu helfen.
Als sie erwachte, war sie schweißnass und zitterte vor Kälte. Sie sah auf die Uhr, glitt leise aus dem Bett und ging ins Badezimmer, wo sie die schlimmsten Reste des Albtraums abwusch. Bei ihrer Rückkehr ins Schlafzimmer murmelte Simon in der Dunkelheit ihren Namen und fragte: »Wie spät ist es? Was tust du?«
»Ich habe etwas Fürchterliches geträumt«, sagte sie.
»Nicht von Kunstsammlern, die dir mit dem Scheckbuch gewinkt haben?«
»Nein, leider nicht. Eher von Kunstsammlern, die mir mit Annie Leibovitz gewinkt haben.«
»Ach so. Na, es hätte schlimmer sein können.«
»Wie denn?«
»Es hätte Karsch sein können.«
Sie lachte und sagte, er solle weiterschlafen. Es sei noch früh, ihr Vater sei bestimmt noch nicht auf, und sie selbst würde ganz sicher nicht wie ihr Vater die Treppe rauf und runter laufen, um ihm seinen Morgentee zu bringen. »Dad verwöhnt dich«, teilte sie ihrem Mann mit.
»Ich finde das nur recht und billig als Gegenleistung dafür, dass ich ihn von dir befreit habe.«
Sie hörte das Rascheln der Laken, als er sich ausstreckte und mit einem wohligen Seufzer wieder dem Schlaf überließ. Sie ging nach unten.
Peach spähte aus seinem Korb neben dem Herd, als sie sich in der Küche eine Tasse Tee kochte, und Alaska kam weiß bestäubt, als hätte sie die Nacht auf einem löcherigen Mehlsack verbracht, aus der Speisekammer. Beide Tiere pirschten sich an sie heran, während sie, an den Spülstein unter dem Souterrainfenster gelehnt, darauf wartete, dass das Teewasser heiß wurde. Sie lauschte dem Regen, der immer noch auf den Platz vor der Hintertür fiel. Nur in der Nacht hatte er einmal kurz aufgehört, irgendwann nach drei Uhr, als sie noch wach gelegen hatte, dem Chor schriller Stimmen ausgeliefert, die ihr sagten, was sie tun sollte: mit sich, ihrem Leben, ihrer Karriere und vor allem mit und für Cherokee River.
Sie warf einen nachdenklichen Blick auf Peach, als Alaska begann, ihr sanft, aber nachdrücklich um die Beine zu streichen. Der Hund hasste es, sich die Pfoten nass zu machen - ein Regentropfen, und er weigerte sich, vor die Tür zu gehen. An einen Spaziergang war also nicht zu denken. Aber eine Stippvisite in den Garten, um das
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