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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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hatte Deborah entgegnet. So nicht.
    Also hatte China alles Notwendige veranlasst, hatte sie in die Klinik gefahren, hatte hinterher an ihrem Bett gesessen und war der erste Mensch gewesen, den sie gesehen hatte, als sie die Augen öffnete. »Hey, Mädchen«, hatte sie mit so viel Liebe gesagt, dass Deborah glaubte, nie wieder in ihrem Leben eine solche Freundin zu finden.
    Freundschaft verlangte Handeln. Sie durfte nicht zulassen, dass China sich länger als nötig allein fühlte. Aber was tun? Was - Irgendwo im Flur draußen vor dem Arbeitszimmer knarrte eine Diele. Deborah hob den Kopf. Wieder knarrte es. Sie stand auf, ging schnell durch das Zimmer und riss die Tür auf.
    Im diffusen Licht einer Straßenlampe, das von draußen hereinfiel, konnte sie Cherokee River erkennen, der gerade seine Jacke vom Heizkörper nahm, auf dem Deborah sie zum Trocknen ausgebreitet hatte. Seine Absicht war klar.
    »Willst du etwa weg?«, fragte Deborah ungläubig.
    Cherokee wirbelte herum. »Mann! Du hast mich zu Tode erschreckt. Wo kommst du denn plötzlich her?«
    Deborah zeigte zum Arbeitszimmer, wo auf Simons Schreibtisch die Lampe brannte und das Gasfeuer seinen flackernden Schein zur Zimmerdecke hinaufwarf. »Ich bin schon eine ganze Weile auf. Hab alte Fotos durchgesehen. Aber was tust du hier? Wohin willst du?«
    Er trat von einem Fuß auf den anderen und fuhr sich mit einer für ihn typischen Geste mit der Hand durch die Haare. »Ich konnte nicht schlafen.« Er wies zur Treppe ins obere Stockwerk. »Ich weiß, ich krieg kein Auge mehr zu - weder hier noch sonst wo -, solange ich nicht jemanden nach Guernsey rübergelotst hab. Darum hab ich mir gedacht, ich geh mal zur Botschaft -«
    »Wie spät ist es denn überhaupt?« Deborah warf einen Blick zu ihrem Handgelenk und sah, dass sie ihre Uhr nicht umgelegt hatte. Aber die Düsternis draußen - wenn auch durch den unerträglichen Regen verstärkt - verriet ihr, dass es nicht viel später als sechs Uhr sein konnte. »Die Botschaft macht noch lange nicht auf.«
    »Ja, aber ich wollte als Erster da sein, falls dort großer Andrang herrscht.«
    »Das kannst du auch noch sein, wenn du erst eine Tasse Tee trinkst. Oder Kaffee, wenn du willst, und etwas isst.«
    »Nein. Ihr habt schon genug getan. Ihr habt mich hier aufgenommen und verpflegt und alles. Ihr habt mir echt aus der Patsche geholfen.«
    »Und darüber bin ich froh. Aber ich lass dich jetzt nicht gehen. Das wäre Quatsch. Ich fahr dich hin - rechtzeitig, damit du als Erster da bist, wenn dir das wichtig ist.«
    »Du musst aber nicht -«
    »Ich weiß, dass ich nicht muss«, unterbrach Deborah mit Entschiedenheit, »aber ich will. Also, lass die Jacke hier und komm mit.«
    Cherokee schien einen Moment zu überlegen. Er schaute zur Tür, durch deren drei Glasscheiben das Licht sickerte. Sie konnten beide das Rauschen des Regens hören, und wie um ihm zu demonstrieren, wie unfreundlich er empfangen würde, wenn er sich hinauswagte, schoss wie eine gigantische Faust ein Windstoß vom Fluss herauf und schüttelte die Äste der Platane auf der Straße, dass es laut krachte.
    Er sagte widerstrebend: »Okay. Danke.«
    Deborah ging ihm voraus in die Küche hinunter. Peach schaute auf und knurrte. Alaska, die wie immer tagsüber auf dem Fensterbrett hockte, warf ihnen einen Blick zu, zwinkerte einmal und wandte sich wieder der Beobachtung der Regenbäche auf der Fensterscheibe zu.
    »Benimm dich«, sagte Deborah zu dem Hund und forderte Cherokee auf, sich an den Tisch zu setzen, wo dieser stumm auf die von Messerkerben und Brandringen gezeichnete Holzplatte hinunterblickte. Wieder setzte Deborah Wasser auf und holte die Teekanne aus dem Küchenschrank. »Ich mach dir auch gleich was zu essen«, sagte sie. »Wann hast du das letzte Mal richtig gegessen?« Sie sah zu ihm hinüber. »Gestern bestimmt nicht.«
    »Doch, die Suppe bei euch.«
    Sie prustete geringschätzig. »Du kannst China nicht helfen, wenn du keine Kraft hast.« Aus dem Kühlschrank nahm sie Eier und Schinkenspeck, Tomaten aus dem Korb beim Spülstein und Pilze aus der dunklen Ecke neben der Tür, die nach draußen führte, wo ihr Vater sie in einem großen Papierbeutel aufbewahrte, der zwischen den Regenmänteln der Hausbewohner an einem Haken hing.
    Cherokee stand auf und trat zum Fenster über dem Spültisch. Alaska beschnupperte seine Finger, als er die Hand ausstreckte, um sie zu streicheln, dann senkte sie huldvoll den Kopf und erlaubte ihm, sie hinter den Ohren

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