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12 - Wer die Wahrheit sucht

12 - Wer die Wahrheit sucht

Titel: 12 - Wer die Wahrheit sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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wie er es eingesperrt halten wollte. Er nahm seinen Rucksack ab und drückte ihn fest an die Brust und hoffte, dass die Freundschaft mit Mr. Guy nicht durch das Werk eines Augenblicks zunichte gemacht, sondern vielmehr durch eine Botschaft, die Mr. Guy hinterlassen hatte, für immer geweiht und gesegnet worden war.
    Hier, mein Prinz, ist ein besonderer Ort, ein Ort nur für dich und mich. Wie gut kannst du ein Geheimnis bewahren, Paul?
    Besser als alles andere, schwor Paul Fielder. Besser als seine Ohren vor dem Spott seines Bruders zu verschließen, besser, als das sengende Feuer dieses Verlusts zu ertragen, ohne sich völlig aufzulösen. Ja, besser als alles andere.
    Ruth Brouard führte St. James nach oben in das Arbeitszimmer ihres Bruders. Es befand sich in der Nordwestecke des Hauses und blickte in der einen Richtung auf eine ovale Rasenfläche und den Wintergarten hinunter, in der anderen auf eine halbmondförmige Gebäudegruppe, vermutlich die ehemaligen Stallungen. Rundherum breiteten sich Park und Gärten, ferne Koppeln, Felder und Wälder aus. St. James sah, dass die Skulpturen nicht auf den eingefriedeten Garten beschränkt waren, in dem Guy Brouard bestattet worden war, sondern sich über den ganzen Besitz ausdehnten. Hier und dort waren zwischen ungehindert wachsenden Bäumen und Sträuchern geometrische Figuren in Marmor, Bronze, Granit oder Holz zu erkennen.
    »Ihr Bruder war ein Förderer der schönen Künste.« St. James wandte sich vom Fenster ab, als Ruth Brouard leise die Tür hinter ihnen schloss.
    »Mein Bruder hat alles und jeden gefördert«, sagte sie.
    Sie sah nicht gesund aus. Ihre Bewegungen waren mühevoll, und ihre Stimme klang erschöpft. Sie ging zu einem Sessel und ließ sich vorsichtig darin nieder. Ihre Augen hinter den Brillengläsern zogen sich einen Moment zusammen, man hätte es für ein schmerzhaftes Zucken halten können, wäre ihr Gesicht nicht so maskenhaft starr geblieben.
    In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch aus Nussbaumholz und auf ihm das Modell eines Gebäudes in einer Landschaft, welche die vor dem Bauwerk vorbeiführende Straße ebenso einschloss wie den Park dahinter, mitsamt den Bäumen und Sträuchern, die dort einmal wachsen würden. Das detailliert gearbeitete Modell zeigte nicht nur Türen und Fenster des zukünftigen Gebäudes, sondern, von geübter Hand sauber ausgeführt, auch die Inschrift, die seine Fassade einmal zieren sollte. Graham Ouseley Kriegsmuseum stand in Stein gemeißelt auf dem Fries.
    »Graham Ouseley.« St. James trat von dem Modell zurück. Es war ein geduckter Bau, einem Bunker ähnlich, nur das Portal zeichnete sich durch himmelstrebende Dramatik nach Art von Le Corbusier aus.
    »Ja«, sagte Ruth Brouard. »Er ist von hier. Ein sehr alter Mann. Über neunzig. Ein Held der Besatzungszeit.« Mehr sagte sie nicht, es war klar, dass sie wartete. Sie war sofort zu einem Gespräch mit St. James bereit gewesen, nachdem sie der Karte, die er ihr überreicht hatte, seinen Namen und seine berufliche Tätigkeit entnommen hatte. Aber sie wollte offenbar erst einmal abwarten und hören, was er wollte, bevor sie etwas preisgab.
    »Ist das hier der Entwurf des einheimischen Architekten?«, erkundigte sich St. James. »Ich habe gehört, dass er für Ihren Bruder ein Modell hergestellt hat.«
    »Ja«, antwortete Ruth. »Das ist von einem Architekten aus St. Peter Port. Aber mein Bruder hat sich dann doch nicht für seinen Entwurf entschieden.«
    »Wissen Sie, warum nicht? Der Bau sieht doch sehr geeignet aus.«
    »Ich habe keine Ahnung. Mein Bruder hat mit mir nicht darüber gesprochen.«
    »Es muss eine arge Enttäuschung für den hiesigen Architekten gewesen sein. Er scheint sich eine Menge Arbeit gemacht zu haben.« St. James beugte sich wieder über das Modell.
    Ruth Brouard bewegte sich in ihrem Sessel hin und her, als versuchte sie, es bequemer zu haben. Sie rückte ihre Brille zurecht und faltete die kleinen Hände im Schoß. »Mr. St. James«, sagte sie, »wie kann ich Ihnen behilflich sein? Sie sagten, dass Sie wegen des Todes meines Bruders hier sind. Da Sie Forensiker sind... Haben Sie mir etwas Neues mitzuteilen? Sind Sie deshalb gekommen? Man sagte mir, dass weitere Organuntersuchungen vorgenommen werden.« Sie geriet ins Stocken, offenbar fiel es ihr schwer, auf so sachliche Art von ihrem Bruder zu sprechen. Sie senkte einen Moment den Kopf, dann sprach sie weiter. »Man sagte mir, dass Organ- und Gewebeuntersuchungen durchgeführt

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