120 - Bogenschütze des schwarzen Todes
konnte man noch Schätze finden.
Goldschätze aus der Zeit der Ureinwohner, die von den spanischen Eindringlingen
hintergangen und niedergemetzelt worden waren. Viele spanische Soldaten, die in
der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts in Peru einfielen und eine blühende
Kultur dem Erdboden gleichmachten, träumten damals den Traum vom Reichtum.
Selbst in den ärmlichen Hütten gab es goldene Gegenstände, die aus dem
sagenhaften Eldorado stammen sollten. Die Spanier raubten alles zusammen, was
sie bekommen konnten. Aber es war ein Alptraum, den sie träumten. Das Gold, das
sie fanden, schein verflucht zu sein. Keinem brachte
es Glück. Die meisten wurden von ihren eigenen Kollegen überfallen und beraubt,
andere beluden sich so sehr damit, daß sie unter dem Gewicht schließlich
zusammenbrachen. Dritte wiederum deponierten ihre Beute in unzugänglichen
Verstecken. Manche lagen so weit abseits, daß sie nie mehr gefunden wurden.
Aus dieser
Zeit - davon war Andrew Rustin überzeugt - stammten auch die Stücke, die ihm
angeboten worden waren.
Er hätte
nicht wissen wollen, wieviele rätselhafte Verstecke
es noch gab, Verstecke, die Tonnen von Gestein bedeckten oder über die im Lauf
von vierhundert Jahren der Dschungel gewachsen war.
Rustin stand
am dunklen Fenster, blickte auf die Straße und wartete auf die Indianerin, die
jeden Augenblick aus dem Haus treten mußte.
Auf der
Straße war es ruhig. Nur hin und wieder war ein Auto zu sehen. Passanten waren
in der Dunkelheit und bei dem leichten Nieselregen, der seit einer Stunde zu
Boden ging, nicht mehr unterwegs.
Andrew Rustin
öffnete das Fenster nicht, um die Besucherin nicht merken zu lassen, daß er ihr
nachschaute.
Er war
verwundert darüber, daß sie noch nicht aus dem Haus kam.
Sie hätte
längst da sein müssen!
Warum kam sie
nicht?
Zwei Minuten
vergingen, drei Minuten ...
Da öffnete
Rustin das Fenster und streckte den Kopf hinaus.
Im Haus gab
es einen Torbogen, der auf den Hinterhof führte. Dort lag die Tür zum
Treppenhaus. Der zweite Eingang war die Ladentür. Aber nach Geschäftsschluß war
dieser Zugang grundsätzlich versperrt.
Der Regen war
nicht stärker geworden, und Rustin konnte sich nicht vorstellen, daß die
Indianerin sich wegen dieser Spritzer nicht auf die Straße getraute. Sie war im
Regen gekommen und würde auch im Regen wieder gehen.
Aber sie kam
nicht!
Da wandte
sich der Mann vom Fenster ab.
Unruhe
erfüllte ihn plötzlich.
Er lief zur
Wohnungstür.
Die
automatische Flurbeleuchtung, die normalerweise drei Minuten brannte, hatte
sich ausgeschaltet. Drei Minuten waren eine lange Zeit, um von der zweiten
Etage 'zur Straße hinunterzugehen.
Ob er Aimas Fortgehen übersehen hatte?
Andrew Rustin
fühlte sich unbehaglich, als er Licht einschaltete. Der trübe Schein erfüllte
das Innere des kahlen Hausflures, der nicht besser aussah als die verwitterte
Front des alten Hauses.
Die Treppen
knarrten.
Rustin, der
allein in dem großen Haus lebte, kannte diese Geräusche.
Er fürchtete
sich weder vor dem Alleinsein, noch vor den Geräuschen, die durch knackende
Balken und abspringendem Verputz verursacht wurden und besonders in der Stille
der Nacht auffielen.
Heute aber -
hatte er Angst...
Instinktiv
fühlte er, daß im Haus eine Gefahr lauerte und er eine furchtbare Entdeckung
machen würde.
Er täuschte
sich nicht.
An der
untersten Treppe erwartete ihn der Schock.
Neben der
Wand zur Tür saß Aima , die Indianerin.
Der Korb lag
neben ihr, und der Kopf war ihr auf die Brust gesunken.
Im ersten
Moment sah es so aus, als wäre die Frau auf der untersten Stufe gestolpert und
gestürzt.
Andrew
Rustin, durch das Erlebnis in seinem Laden am frühen Morgen noch gekennzeichnet
und gewarnt, blickte unwillkürlich in Höhe des Herzens.
Auf den
ersten Blick war das Blut nicht zu sehen. Der grobe, dunkle Wollstoff hatte es
aufgesaugt.
Genau in Höhe
des Herzens war der Stoff aufgerissen und blutdurchtränkt.
Aima schien von
einem Messer mitten ins Herz getroffen worden zu sein.
Aber es war
kein Messer. Andrew Rustin drängte sich ein furchtbarer Verdacht auf.
Die Wunde
rührte von einem Pfeil her, den der schwarze Bogenschütze abgefeuert hatte!
Hier im Haus
spukte es ...
●
Sekundenlang
stand Rustin vor der Toten, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Sein Herz
hämmerte wie verrückt, und kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn.
Aima war nicht
mehr zu helfen. Zwei Schritte vor der Tür hatte ein
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