120 - Der Fluch der stählernen Hände
Sie hielt den Atem an, und als sie gleich darauf hinter der Tür wieder ein Geräusch vernahm, zuckte sie heftig zusammen.
Vorhin war sie nicht sicher gewesen, daß sich jemand im Haus befand. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Mit zitternder Hand drehte sie den Türknauf.
Es ging beinahe über ihre Kräfte. Lautlos öffnete sie die Tür - nur wenige Zentimeter. Die Schreibtischlampe brannte. Sie leuchtete nicht den ganzen Raum aus, aber doch das nähere Umfeld des Arbeitsplatzes.
Und in diesem Streulicht stand… Heathcote McShane!
Er stand vor einem offenen Safe und war im Begriff, die Stahlhände abzuschnallen. Jetzt legte er die erste Mordhand in den Tresor, und als er die zweite abstreifte, begann er sich zu verändern.
Aus Heathcote McShane wurde Montgomery York!
Susannah traute ihren Augen nicht. Was sie soeben gesehen hatte, war für sie unfaßbar. Wie konnte sich ein Mensch verwandeln? Wie konnte aus dem Mann, den sie liebte, mit dem sie seit drei Monaten zusammenlebte, ein anderer werden?
Sie begriff, daß sie so gut wie nichts von Montgomery wußte. Er war ihr begegnet, und sie hatte sich in ihn verliebt.
In ihn, einen Mann, der zwei Gesichter hatte!
Er konnte so sanft, so zärtlich sein -und gleichzeitig war er ein grausamer Mörder. Susannah hatte gesehen, wie er Carolyn Cassidy zugerichtet hatte.
Das Grauen schnürte ihr die Kehle zu. Dennoch konnte sie nicht verhindern, daß sie ein leises Schluchzen ausstieß.
Montgomery York fuhr wie von der Natter gebissen herum. Er eilte zur Tür und riß sie auf. Susannah starrte ihn entgeistert an. Er lächelte eisig.
»Nun kennst du mein Geheimnis.«
»Montgomery…« stammelte sie fassungslos.
»Du begreifst nicht, was du gesehen hast?«
»Nein. Wie ist das möglich?«
Er nahm die schwarze Brille ab. »In diesen Stahlhänden befindet sich eine ungeheure Kraft. Wenn ich sie anziehe, verändert sich mein Äußeres, dann werde ich zu Heathcote McShane, dem Hexer, der vor langer Zeit diese Mörderhände schuf. Er brachte es auf fünfundzwanzig Opfer. Ich werde ihn übertrumpfen! Als ich die Hände des Hexers zum erstenmal sah, wuchs in mir der Wunsch, sie zu besitzen. Ich wußte nicht, was geschehen würde, wenn ich sie anzog. Ich brach in dieses Kriminalmuseum in Los Angeles ein und holte mir die Hände, und schon bald probierte ich sie zum erstenmal aus. Seither drängt es mich immer wieder und immer stärker, sie anzuziehen, mich zu verändern, zu morden. Mein Leben hat einen neuen Inhalt bekommen. Es ist ein unbeschreiblicher Rausch. Ich kann und will ihm nicht widerstehen, denn in meinem Inneren bin ich inzwischen ganz zu Heathcote McShane geworden. Das Aussehen Montgomery Yorks benütze ich nur noch, um die Menschen zu täuschen. Für Chicago habe ich mir vier Opfer vorgenommen. Deine Neugier macht dich zu meinem vierten Opfer, Susannah. Du wirst verstehen, daß ich dich nicht am Leben lassen kann. Du weißt zuviel. Niemand darf mein Geheimnis kennen.«
Er packte sie blitzschnell, riß sie in sein Arbeitszimmer und warf die Tür zu.
Sie stolperte und stürzte. York schloß ab und steckte den Schlüssel ein.
Susannah sprang auf und rannte zum Fenster. Sie wollte es öffnen und um Hilfe schreien, doch York riß sie zurück, und sie landete abermals auf dem Boden.
Diesmal schlug sie mit dem Kopf gegen den Schreibtisch und blieb benommen liegen.
Montgomery York begab sich zum offenen Safe. Er hatte die schwarze Brille wieder aufgesetzt, nun griff er nach der rechten Hexerhand und zog sie an.
Susannah stemmte sich mit den Armen hoch, aber aufstehen konnte sie nicht.
York verzichtete darauf, die Stahlhand festzuschnallen. Das war nicht nötig. Sobald er die zweite Hand angezogen hatte, überflutete ihn die schwarze Magie, und er wurde mehr und mehr zu Heathcote McShane.
Mühsam stand Susannah auf. Sie schwankte wie ein Halm im Wind, sah Heathcote McShane nur wie durch einen trüben Schleier.
Sie lehnte an seinem Schreibtisch und bekam das nackte Grauen hautnah zu spüren.
Es gefiel McShane, sie psychisch zu quälen, indem er ihr erzählte, was er mit den anderen Opfern gemacht hatte; aber er begann nicht bei Carolyn Cassidy, sondern er begann mit seinem ersten Opfer-Cliff Beifords Frau.
Er schilderte all die schrecklichen Szenen, malte die Todesangst seiner Opfer wortreich aus und trieb Susannah Maxwell damit hart an den Rand des Wahnsinns.
»Und nun ist die Reihe an dir«, sagte der Hexer abschließend.
Susannah hob verzweifelt die
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