1203 - Die Höllenfratze
nicht gespürt, was in deinem Kopf los war? Hast du nicht gemerkt, was dir gesagt werden musste?«
Jane wollte antworten, sie konnte es nicht, weil der Blick der anderen Frau sie gefangen nahm. Mit keinem der Schüler hatte Roberta so lange gesprochen wie mit Jane. Und keinen Schüler hatte sie zudem so intensiv angeschaut.
Sie hob einen Arm und fuhr damit über ihren Mund. »Du bist anders, Jane. Ich spüre es. Du bist nicht mehr die Frau, die ich kenne. Etwas ist mit dir.«
»Nein, Roberta. Nicht dass ich wüsste.«
»Doch, doch. Es steckt etwas in deinem Innern, was ich genau spüre. Es ist etwas da. Du musst mir einfach die ganze Wahrheit sagen. Das ist wichtig für uns.«
»Es tut mir Leid«, sagte Jane. »Ich weiß nicht, wovon du redest. Es ist mir alles fremd. Ich weiß auch nicht, aus welchem Grund ich die Fratze gemalt habe.«
»Du wolltest mich malen.«
»Aber das bist du nicht!«
»Doch, das bin ich!«
Sie hatte es jetzt zum wiederholten Male gesagt. Allmählich wurde Jane Collins ungeduldig. Sie konnte ihrem Ärger keine freie Bahn lassen. Irgendwie fühlte sie sich gehemmt. Noch immer gab es zwischen Roberta und ihr eine Sperre, die auch Janes Fragen nicht abbauten.
»Wie kannst du das sein?«
»Es hat mich gesucht.«
»Wer?«
»Ein Freund…«
»Den habe ich nicht gesehen.«
»Doch, das hast du.« Roberta deutete auf die Zeichnung. »Da hast du ihn gemalt. Gezeichnet wie gesehen. Er war in deinem Kopf. Er hat sich dort ausgebreitet. Er ist wie eine Krake mit vielen Armen; verstehst du. Finde dich damit ab, so wie er dich gefunden hat. Zuerst ist es mein Freund Chuck gewesen, der ihn gespürt hat. Nun bist du an der Reihe, und die beiden anderen auch. Er ist da. Er hat lange gesucht und endlich gefunden, was er suchte.«
»Wer denn?«, frage Jane mit lauter Stimme. »Hat er auch einen Namen gehabt?«
Roberta spitzte die Lippen, als sie sprach. »Es ist die Höllenfratze gewesen…«
Sie sagte nichts mehr und drehte sich weg. Nackt wie sie war, aber auch stolz fand sie ihren Weg über das Podest hinweg wieder hin zur Tür, aus der sie gekommen war.
Jane schaute ihr nach. Die anderen beiden ebenfalls, und sie taten ebenfalls nichts.
Es war eine verdammte Situation. Es gab einen Feind, den Jane kannte und trotzdem nicht sah. Sie hatte ihn gemalt. Er war also gegenwärtig und dennoch blieb er verschwunden. Und er musste mit Roberta Carlini unter einer Decke stecken.
Allmählich verwandelte sich Jane wieder zurück in einen Menschen, wie sie sich selbst gegenüber zugab. Sie konnte wieder normal durchatmen und auch denken. Dies beinhaltete, dass sie etwas unternehmen musste, um Roberta zu stoppen.
Dabei war ihr nicht klar, ob die Frau freiwillig mitmachte oder unter einem Zwang stand. Sie hielt beides für möglich, tendierte allerdings zur letzten Möglichkeit.
Die beiden anderen Schüler verhielten sich ruhig. Jane hörte sie nur atmen, aber nicht sprechen. Sie sahen beide aus wie Menschen, die tief in ihren Gedanken versunken waren und nichts anderes an sich herankommen lassen wollten.
Errol Fisher stand ihr am nächsten. Sie trat an ihn heran. Er nahm nicht mal Kenntnis von ihr und stierte nur aus leicht glasigen Augen auf sein Bild. Dieser Mann hatte den Angriff nicht so gut überstanden wie Jane.
Sie fasste ihn an der Schulter an. Rüttelte ihn. Sein Kopf wackelte hin und her. Aus dem Mund drang ein unartikulierter Laut.
»He, kannst du mich hören?«, flüsterte sie ihm scharf zu.
Fisher gab eine Antwort. »Er ist in mir. Es ist in mir. Ich sehe ihn. Ich habe ihn gemalt. Der Teufel hat ihn geschickt. Er ist so anders. Er ist so mächtig…«
»Wen siehst du denn?«
»Ihn!« Errol deutete auf sein Bild. Genau diese Antwort hätte sich Jane auch selbst geben können.
»Bis später«, sagte sie und machte sich auf den Weg zu Alyson Scott. Es lag ihr fern, überheblich zu sein. In diesem Fall allerdings musste sie zugeben, dass sie wohl die einzige Person war, die nicht von der gesamten Härte der anderen Seite erwischt worden war. Wahrscheinlich besaß sie mehr Widerstandskräfte, auch gegeben durch die wenigen Hexenkräfte.
Möglicherweise war die andere Seite nicht so stark an sie herangekommen.
Alyson Scott blickte Jane entgegen. Aber sie sah sie, und sie nahm sie trotzdem nicht wahr, denn in ihrem Blick gab es kein Leben. Jane sah die Augen als tot an.
Alyson hatte ihre Brille abgenommen. Dass sie auf dem Boden lag, schien sie nicht zu stören.
Jane bückte sich, hob
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