1203 - Die Höllenfratze
befanden sich allein mit Roberta im Atelier, und das Modell war es auch, das zum ersten Mal sprach.
Die Hände lösten sich dabei vom Nacken. Die Beine blieben nicht in der überschlagenen Haltung. Roberta stellte beide zurück auf das Holz und stemmte sich dann von ihrem Platz aus in die Höhe.
Neben dem Stuhl blieb sie stehen, die Arme angewinkelt, die Hände in die Hüften gedrückt. So wie sie sah eine Siegerin aus oder eine Frau, die endlich ihr Ziel erreicht hatte.
Jeder Person lächelte sie zu, zuerst Alyson, dann Errol und schließlich Jane.
Auf ihr blieb ihr Blick länger haften, und Jane wurde einfach das Gefühl nicht los, dass sie etwas Besonderes in diesem Reigen war. Robertas Blick sagte ihr genug. Er sah richtig zufrieden aus. Nur so konnte man sich freuen.
»Dann möchte ich mir eure kleinen Werke mal ansehen«, sagte sie und verließ ihren angestammten Platz.
Keiner hinderte sie daran. Auch Jane tat nichts, obwohl sie liebend gern die Initiative ergriffen hätte. Dazu fühlte sie sich einfach nicht in der Lage. Wie eine gehorsame Schülerin blieb sie vor der Staffelei stehen und wartete ab, was geschehen würde.
Es war etwas Fremdes in der Nähe. Das Fremde, das zuvor auch in ihr gesteckt hatte. Sie fühlte es genau, aber sie konnte es nicht sehen und beschreiben.
Das Fremde war böse und gefährlich. Es passte einfach zu der gemalten Höllenfratze, die hier das Kommando übernommen hatte, obwohl sie nicht zu sehen war.
Roberta ging zuerst zu Alyson Scott. Sie brauchte keinen langen Blick auf die Zeichnung zu werfen. Ein kurzer reichte aus, um die Künstlerin zu loben.
»Schön, sehr schön hast du das gemacht, meine Liebe. Du bist wirklich einmalig.« Sie streichelte ihre Wange. »Wer so malt, der ist auch bereit.«
Keiner reagierte auf die rätselhaften Worte. Auch Jane Collins tat nichts, aber sie hatte sie sehr wohl registriert und nicht vergessen. Sie wusste sehr genau, dass sie etwas Bestimmtes zu bedeuten hatten. Das Spiel war noch nicht beendet. Es würde weitergehen, und sie würden auf dem Spielfeld bleiben.
Roberta ging zu Errol Fisher. Auch er bewegte sich nicht, aber er schaute die Nackte mit einem schon hündisch ergebenen Blick an. Wie jemand, der nur Lob hören wollte.
Roberta blickte ihn und dann das Bild an. »Wunderschön«, lobte sie ihn. »Es ist einfach wunderschön geworden. Ich bin sehr zufrieden mit dir.«
»Wirklich?«, hauchte er.
»Ja, du kannst mir glauben. Es ist nicht gelogen. Du hast ein kleines Meisterwerk erschaffen.«
»Danke«, hauchte er, »danke…«
Roberta ging weiter. Den Blick hielt sie nach vorn gerichtet und traf damit Jane Collins.
Die Detektivin hätte ihr gern etwas gesagt, doch es fehlten ihr die Worte. Die Lage war schlagartig auf den Kopf gestellt worden, obwohl alles noch so aussah wie sonst und sich wirklich nichts verändert hatte.
Roberta sah Jane direkt an. Ihr Gesicht war glatt. Nur die Augen hatten sich verändert. Die blickten nach vorn, aber zugleich schienen sie auch nach innen zu schauen, als wollte Roberta die Tiefen ihrer eigenen Seele ausloten.
Es machte ihr auch nichts aus, dass sie nackt war. Roberta bewegte sich völlig ungezwungen, aber Jane wusste, dass sie nicht mehr so war wie noch vor einigen Stunden im Café.
Mit ihr war etwas geschehen. Körperlich war sie die Gleiche geblieben, aber sie konnte durchaus einen Seelentausch hinter sich haben. Jane wusste, dass es so etwas gab.
»Hast du auch gemalt, Jane?«
»Ja, sieh es dir an.«
»Gern.«
Das Gespräch zwischen ihnen klang völlig normal. Allein Jane wusste, dass es nicht normal war. Zwischen ihnen stand ein Spannungsbogen, dem keiner von ihnen ausweichen konnte.
Roberta drehte sich so, dass sie Janes Kunstwerk betrachten konnte. Sie hatte sich auch in der richtigen Entfernung aufgebaut und überließ nichts dem Zufall.
Mit Janes Werk ließ sich Roberta mehr Zeit, als mit denen der anderen.
Schließlich nickte sie und flüsterte: »Ja, du hast mich sehr gut getroffen. Ebenso wie die anderen. Dazu darf ich dir nur gratulieren, Jane.«
»Ich habe dich gemalt?«, fragte sie leise.
»Ja, so ist es.«
Fast hätte die Detektivin gelacht. »Bitte«, sagte sie stattdessen, »so siehst du nicht aus. Nein, das kann nicht sein. Das bist du einfach nicht.«
»Doch, Jane, ich bin es. Du hast es nur nicht begriffen. Ich habe es dir mit auf den Weg gegeben. Ich bin es. Ich bin der Mensch, und ich bin die Fratze. Noch mal, du bist großartig gewesen. Hast du
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