1204 - Der Häuter
informieren, dass du es geschafft hast.«
»Wir haben es geschafft, John. Ach so, Navis ist nicht tot. Ich denke, dass ihn die Ärzte wieder zusammenflicken werden. Hoffentlich schaffen sie das.«
Ich saß am Boden. »Weißt du was, Dad, das ist mir im Moment alles egal.«
»Kann ich verstehen!«
Der verfluchte menschenverachtende Killer war geschafft, und das war vor sechs Jahren passiert…
***
Gegenwart
»Wo soll ich dich rauslassen?«, fragte der Mann, der den Toyota lenkte, die Person auf dem Nebensitz.
»Kurz vor der nächsten Ortschaft. Ich sage Bescheid.«
»Okay.«
»War schon gut, dass Sie mich mitgenommen haben.«
Der Fahrer lächelte. »Ja, du hast Glück gehabt, Mädchen. Wer so jung ist wie du, sollte in der Nacht nicht trampen und lieber mit einem Taxi fahren oder sich mit Freunden zusammen in ein Auto setzen. Das ist besser.«
»Freunde!« Doreen lachte. »Die haben sich doch meist den Kanal vollgehauen. Sind hacke und nicht mehr ansprechbar. Taxi kann ich nur fahren, wenn ich genügend Kohle habe. Und die fehlt mir ständig.«
»Dann geh weniger in die Disco.«
»Einmal in der Woche. Öfter gehe ich nicht. Sie sagen das alles so leicht.« Doreen unterdrückte ein Gähnen. »Aber wenn Sie aus der Gegend kommen, dann schauen Sie sich mal um. Hier ist nichts los. Keine Action. Ich gäbe was darum, in einer großen Stadt zu leben. Da gehe ich auch später hin. Glasgow, Edinburgh oder so. Das kann ich Ihnen versprechen.«
»Ist gut, wenn man Träume hat.«
»He, das sagen Sie?« Doreen drehte den Kopf nach rechts und schaute den älteren Mann an. Zumindest war er für sie älter. Immerhin schon über Vierzig, denn Doreen war erst achtzehn.
Sie lebte gern. Ein wenig ausgeflippt und abgefahren. Jede Woche eine neue Haarfarbe, auch viele neue Klamotten, die ihre Mutter ihr immer aus dem Katalog mitbestellte, wenn sie für sich selbst die Outfits einkaufte, und sie liebte es auch, sich mit Schmuck zu behängen. Billiger Modeschmuck, der ebenso in den Ohren klemmte wie an den Rändern der Nasenlöcher.
Nur über ihre Pickel ärgerte sich Doreen, weil die so schnell nicht aus dem Gesicht verschwinden wollten. Wenn sie mal weg waren, bekam sie immer schnell neue.
Einen Freund hatte sie auch. Der hatte sie zur Disco im Wald mitgenommen. Sie hatte bei ihm hinten auf dem Roller gesessen, aber Burt hatte sich leider volllaufen lassen, und so war sie dann getrampt. Und sie war froh, einen Fahrer gefunden zu haben, der kein geiler Bock war und sie nicht belästigte.
Man konnte sich sogar ganz gut mit ihm unterhalten.
Im Wagen war es nicht kalt. Die Heizung brachte Wärme.
Trotzdem fror Doreen und zog die Jacke aus Kunstleder immer wieder eng um ihren schmalen Körper. Ihre grün gefärbten Haare sahen aus wie eine Perücke, denn sie hatte zu viel Haarspray verwendet.
»Wollten Sie nicht was sagen, Mister?«
»Wie kommst du darauf?«
»Sie haben von den Träumen gesprochen.«
Der Mann lachte. »Sehr richtig, von den Träumen. Es ist gut, wenn man Träume Hat. Mir erging es in deinem Alter ebenso. Das hat mich richtig hochgepuscht, verstehst du?«
»Klar. Und was ist aus Ihren Träumen geworden?«
»Sie sind zerplatzt. Nicht alle, aber die meisten. Ich wollte eine Software-Firma eröffnen: Das hat auch geklappt, nur hielt sie nicht länger als knapp drei Jahre. Da musste ich feststellen, dass ich die Entwicklung verschlafen habe. Ich ging Pleite. Jetzt arbeite ich für einen ehemaligen Konkurrenten, und das schon über Jahre hinweg. Ich fahre über Land und besuche die Firmen, die Probleme mit ihrer Software haben. So ist das nun mal im Leben.«
»Pech, nicht?«
Der Fahrer zuckte mit den Schultern. »Wie man's nimmt. Ich komme gut zurecht, wenn ich ehrlich bin. Und was ist mit dir?«
Doreen winkte ab und gähnte laut. »Einen Job habe ich. Ich bin Friseuse. Macht mir sogar Spaß. Und nach der Lehre habe ich einen guten Laden gefunden.«
»Na bitte, das ist doch was.«
»Ach, nicht so recht. Die sind alle nicht hip genug. Mehr von gestern, wissen Sie.« Doreen räkelte sich. »Deshalb will ich auch in die Stadt. Da geht es richtig zur Sache. Da kann man noch was bewegen.«
»Wenn du das sagst.«
»Habe mich schon erkundigt.«
Das Gespräch schlief ein. Ian Freeman, so hieß der Fahrer, fuhr nicht so schnell. Die Straße war zwar frei, aber sie war auch kurvig, und außerdem machten ihm die Temperaturen etwas zu schaffen, denn sie bewegten sich um den Nullpunkt herum. Da konnte es an
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