1209 - Die grauen Lords
breit und hoch...", stotterte der Diener. Omrayn ließ den Zsulchor fallen. „Geh mir aus dem Weg", schnaufte er. „Einen Meter! Das muss ich sehen!"
Der Diener kroch eilig zur Seite. Die Aufforderung kam ihm gelegen. Je weniger er mit Omrayn zu tun hatte, desto wohler fühlte er sich. Omrayn war ein jähzorniger Herr, und in den Elendsvierteln von Starsen wimmelte es von Habenichtsen, die nach einer Stellung in Omrayns Recyclingwerk gierten, um sich ihr täglich Brot zu verdienen. Omrayn schaufelte derweilen seinen umfangreichen Körper auf sechs Pseudopodien durch weite Gänge und über sanft geneigte Rampen, bis er vor dem Schlafgemach seines Zweitweibs ankam. Ungestüm brach er durch den mit kostbaren Aufdrucken versehenen Vorhang. Auf Zweit-, Dritt- und Viertweiber brauchte man nicht allzu viel Rücksicht zu nehmen. Das Erstweib, das war eine andere Sache! Außerdem befand er sich gegenwärtig im Zustand der Kühle, wie man der Blässe seiner Körperfläche mühelos ansah. Es hatte also keine von ihnen einen Anspruch an ihn zu stellen. „Wicht!" brüllte er nach hinten. „Komm her!" Es war besser, diesen Kretin vor zuschicken. Man wusste nie... Neider und Feinde waren überall!
Vielleicht war das mit dem Würfel ein schmutziger Trick seiner Verwandten. Vielleicht wollten sie ihn ermorden und sich das Werk aneignen...
Starsen wimmelte doch von skrupellosen Kreaturen!
Der Diener kam angehumpelt. „Herr?" Omrayn versetzte ihm einen Knuff. „Wo ist dieser verdammte Würfel, eh? Ich zerreiße dich, wenn du mich angelogen hast!" Der Diener zitterte. „Da... da...", stammelte er und deutete in den Raum. Zögernd kroch Omrayn ein paar Meter weiter und blieb wie angewurzelt stehen.
Dort war er - der Würfel. Unmittelbar neben der Schlafsenke seines Zweitweibs. Er sah so aus, wie der Diener ihn beschrieben hatte: Ein goldener Würfel mit einer Seitenlänge von etwa einem Meter. Aber es war unmöglich! Ein Würfel! Aus Gold! Einen Meter ... „Ich will verdammt sein", .schnaufte Omrayn. „Wer hat den Würfel hergebracht?" Drohend sah er den Diener an. Der Wicht begann wieder zu zittern. „Ich... ich weiß es nicht, Herr. Er war plötzlich da. Ich habe nichts damit zu tun..."
„Natürlich hast du nichts damit zu tun", fauchte Omrayn. „Hältst du mich für einen Idioten? Wie sollst du an eine solche Menge Gold kommen?
Außerdem ist er viel zu schwer für dich..." Und für jeden anderen, fügte er in Gedanken hinzu. Ein Mysterium, in der Tat! .Omrayn dachte nach. Ob nun mysteriös oder nicht - dieser Würfel würde ihn auf einen Schlag steinreich machen. Er kannte da einen Metallhändler mit guten Verbindungen...
Selbst wenn der Händler einen Teil des Goldes als Provision verlangte, war die Menge noch groß genug, um ihm ein. Vermögen zu bringen... Gold war knapp in Starsen - wie alles. Seit Beginn der Isolation, seitdem kein Nachschub mehr aus dem Hochland und dem Tiefenland kam, wurde jedes noch so winzige Stück Material wie ein Augapfel gehütet. Im Lauf der Generationen hatte man in Starsen das Recycling perfektioniert, aber selbst bei optimalster Wiederverwertung ging ein bestimmter Prozentsatz verloren.
Omrayn schauderte. Er war froh, jetzt geboren worden zu sein, wo die Lage noch einigermaßen erträglich war. Er wagte sich gar nicht vorzustellen, wie es in ein paar tausend Jahren in Starsen aussehen würde. Irgendwann musste die zunehmende Material- und Nahrungsmittelknappheit zum totalen Zusammenbruch führen... Aber das Gold... Diese ungeheure Menge Gold...
Omrayn warf dem Diener einen verstohlenen Blick zu. Zunächst musste dieser Kretin verschwinden. Er war ein Mitwisser, und er würde ganz bestimmt nicht den Mund halten können. Aber zuvor noch einen letzten Versuch. Trotz allem bestand noch immer die Möglichkeit einer Falle, eines schmutzigen Tricks seiner gierigen Verwandten. „Bursche!" sagte er herrisch. „Ja, Herr Omrayn?"
„Geh zum Würfel", befahl Omrayn. „Fass ihn an, untersuche ihn. Ich will wissen, ob er wirklich aus Gold besteht." Der Diener zögerte. „Ich... ich soll den Würfel anfassen?" Omrayn schnaufte. „Von mir aus kannst du dich auch draufsetzen. Los, geh schon!" Der Diener zögerte, aber Omrayns drohende Haltung ließ ihn dann gehorchen. Mit sichtbarem Unbehagen näherte er sich dem mysteriösen Würfel. Seine Hand bebte, als er sie hob, kurz die Goldoberfläche berührte und sie sofort wieder zurückzog, als wäre der Würfel glühend heiß. „Nun?"
Weitere Kostenlose Bücher