1210 - Todesgruß aus Aibon
Schale stand nicht grundlos hier. Sie hatte etwas zu bedeuten, und Suko beugte sich über sie. Auch er sah die Glätte im Innern. Seiner feinen Nase fiel der Geruch auf, der ihm entgegenstieg. Er war recht schwer zu identifizieren. Es roch klar, aber auch streng und im weitesten Sinne sogar verbrannt.
Es brachte ihn auf den Gedanken, dass er sich die Schale auch als Feuerstelle vorstellen konnte. Hier wurden Opfer gebracht, hier kokelten bestimmte Pulver vor sich hin, um eine besondere Atmosphäre zu schaffen.
Ein Begriff allerdings wollte ihm nicht aus dem Kopf. Seine Gedanken drehten sich im Prinzip um Aibon und natürlich um die geheimnisvollen Wege, die in diese geteilte Welt führten.
Sollte Selina Green tatsächlich aus Aibon stammen, dann musste es für sie einen Weg geben, wie sie dorthin gelangte, ohne dass sie erst einen großen Umweg in Kauf nehmen musste.
Hatte die Schale etwas damit zu tun?
Er glaubte daran und bekam trotzdem Zweifel, weil er nicht wusste, wie er den Zugang zu Aibon aktivieren sollte. Für einen Moment dachte er auch an eine Zerstörung, was natürlich Unsinn war. Er ließ die Dämonenpeitsche stecken und kniete sich stattdessen hin, um mit der flachen Hand über das Innere zu streichen.
Die Oberfläche war so glatt. Keine Risse. Keine Unebenhe iten. Nichts Körniges…
Sie war blank poliert worden, und sie lebte auch nicht. Er spürte keine Wärme.
Dennoch war Suko davon überzeugt, dass es der Weg für ihn war. »Es muss so sein«, flüsterte er vor sich hin, als er sich wieder erhob. »John war hier. Jetzt finde ich ihn nicht mehr. Er kann einen bestimmten Weg eingeschlagen haben, um dem gestohlenen Schwert auf der Spur zu bleiben. Und das ist der Weg nach Aibon.«
Die Tür wurde geöffnet!
Obwohl dies leise geschah, war das Geräusch Sukos Ohren nicht verborgen geblieben.
Blitzschnell drehte er sich nach rechts. Durch die offene Tür konnte er in den Flur schauen, in dem sich jetzt vor dem dunkleren Hintergrund eine Gestalt abhob.
Suko hatte Selina Green noch nie gesehen. Er kannte sie nur von Johns Beschreibungen her. Aber er wusste genau, wer die Wohnung hier betreten hatte…
***
Sie kam, und sie schritt dabei wie eine Königin. Sie hatte Suko längst gesehen, doch sie sprach ihn erst an, als sie das Wohnzimmer erreicht hatte.
Suko blieb genügend Zeit, um sie zu betrachten. Wie ein Wochentag-Outfit sah ihre Kleidung nicht aus. Das Kleid passte eher zu einer Abendgarderobe. Von den Ansätzen der Brüste aus umhüllte es bis zu den Knöcheln den Körper der Frau, und bei jedem Schritt schwang es wie eine schwere Glocke hin und her.
Auch das lange und dichte Blondhaar bewegte sich. Es war nicht unbedingt ein helles Blond. In der Fülle bewegten sich einige dunklere Strähnen, aber diese Haarpracht fiel einfach auf. Auf Suko wirkte die Person wie ein lebendes Kunstobjekt.
Erst als sie den großen Raum erreicht hatte, blieb sie stehen und richtete den Blick auf Suko. Nichts deutete darauf hin, welche Gedanken sich hinter der Stirn abspielten. Auf Suko wirkte sie wie ein lebendiger Eisblock.
»Wer sind Sie? Wie kommen Sie in meine Wohnung? Was wollen Sie hier, verdammt?«
»Guten Tag.«
»Reden Sie keinen Unsinn.«
»Sie haben mir viele Fragen auf einmal gestellt.«
»Klar, dazu bin ich berechtigt, denn ich lebe hier, verstehen Sie? Ich habe die Wohnung gemietet.«
»Das ist mir bekannt.«
»Und dann kommen Sie einfach hier herein? Benehmen sich wie ein Einbrecher und…«
Jetzt unterbrach Suko sie. »Nicht wie ein Einbrecher, Mrs. Green…«
»Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Ich las ihn an der Tür.«
»Ah ja…«
»Außerdem bin ich kein Einbrecher. Sie können sich hier umschauen, ich habe nichts gestohlen. Von dieser Vorstellung sollten Sie sich verabschieden.«
»Warum haben Sie dann meine Wohnung betreten, zum Henker?«
Selina regte sich auf, aber Suko erkannte sehr schnell, dass die Aufregung nur gespielt war.
»Ich will es Ihnen sagen. Sie werden es nicht glauben, aber ich suche jemanden.«
»Ach!«, staunte sie. »Das ist nicht wahr. Sie suchen jemanden? Hier? Hier in meiner Wohnung?«
»Ja.«
Da fing sie an zu lachen. »Okay, Sie kennen meinen Namen, aber ich weiß nicht, wer Sie sind.«
»Ich heiße Suko.«
»Passt zu Ihnen.« Selina spielte die Komödie weiter. »Und Sie sind demnach auf der Suche nach einer bestimmten Person, die Sie vermissen.«
»Genau.«
»Sagen Sie den Namen!«
»Sie werden den Mann kennen.«
»Raus
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