1212 - Niemand hört die Schreie
Lichtverhältnisse eingestellt. Ich sah die Umrisse der Körper, die zu einem einzigen verschmolzen waren, unter mir. Demnach mussten sich die beiden Personen auf dem Boden aufhalten und dort im Clinch liegen.
Ich wollte alles sehen.
Mich hatte man noch nicht entdeckt. Ich holte die kleine Lampe hervor, schaltete sie ein und betrat zugleich die Sche une.
Die Lichtlanze traf direkt das Ziel!
Was ich zu sehen bekam, entsprach meinen Befürchtungen…
***
Beide lagen auf der Erde. Die blonde Gitty auf dem Rücken und mit ausgebreiteten Beinen. Über ihr lag Brenda. Sie trug noch immer den langen Mantel. Eine Hand hatte sie auf Gittys rechte Brust gelegt, die Finger der anderen hatten sich im blonden Haar der jungen Frau verfangen.
Durch den plötzlichen Lichtstoß war Brenda Roderick zusammengeschreckt. Dann aber drehte sie den Kopf in meine Richtung, und sie hielt den Mund nicht geschlossen.
Mir reichte ein Blick, um die spitzen Eckzähne zu sehen.
Brenda Roderick hatte sich in eine Blutsaugerin verwandelt.
Warum und wieso, das war mir egal. Ich wollte nur nicht, dass sie ihre Blutgier stillte, und auch sie wusste, wer da gekommen war.
Plötzlich war Gitty für Brenda nicht mehr interessant. Sie schnellte hoch, zuckte zur Seite, tauchte in eine andere Ecke der Scheune und hatte sich in eine Bestie verwandelt.
Gitty lag am Boden. Erst jetzt dämmerte ihr, welch einer Gefahr sie entkommen war. Im Licht musste sie das schreckliche Vampirgesicht gesehen haben.
»Steh auf und verschwinde!«, fuhr ich sie an.
»Aber…«
»Weg mit dir!«
Den letzten Satz hatte sie endlich begriffen. Sie raffte sich auf und lief mit hastigen Schritten geduckt an mir vorbei nach draußen, wo sie hoffentlich in Sicherheit war.
Jetzt lauerte ich auf Brenda Roderick…
***
Suko war kein Hellseher, aber er konnte nachdenken. Als John nach etwa einer Minute noch nicht zurückgekehrt war, ahnte er, dass etwas passiert sein musste.
Er hielt trotzdem die Stellung, denn die Frauen tanzten auch weiterhin um das Feuer herum. Wenn auch nicht mehr so hektisch. So kam es dem Inspektor zumindest vor. Auch sie mussten den wilden und harten Bewegungen allmählich Tribut zollen, und neue Aufputschmittel hatten sie nicht zu sich genommen.
Sie hielten sich nicht an den Händen. Jede sonderte sich von ihrer Nachbarin ab. Einige blieben zu zweit zusammen, andere wollten sich allein der Trance des Tanzes hingeben.
Plötzlich war noch jemand da!
Trotz aller Aufmerksamkeit hatte Suko nicht gesehen, woher die Gestalt gekommen war. Jedenfalls war sie plötzlich da, und es war keine Frau, sondern ein Mann.
Er kannte die Typen aus dem Leichenwagen nur aus den Beschreibungen. Einen hatte die Kraft der Sonne verbrannt, aber der andere hatte es geschickter gemacht und sich im hellen Tageslicht versteckt gehalten. Jetzt war er wieder da, und er sprang die Frau an.
Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie hatte ihn auch nicht gesehen, weil er sich hinter ihrem Rücken angeschlichen hatte.
Sie war einfach zu sehr in sich selbst versunken gewesen, und das nutzte der Angreifer eiskalt aus. Er sprang sie an. Suko hörte noch ihren erschreckten Schrei, der sogar das Brausen des Feuers übertönte, dann riss der Blutsauger sein Opfer brutal zurück und zerrte es vom letzten Widerschein des Feuers weg in die Dunkelheit.
Suko war zwar ein Zeuge gewesen, er hatte leider nur recht ungünstig gestanden. Um einzugreifen, musste er um das Feuer herum auf die andere Seite. Die übrigen Frauen hatten nicht mitbekommen, was mit ihrer Freundin geschehen war. Sie waren einfach zu sehr in ihrem eigenen Tanz versunken gewesen.
Suko rannte!
Ein Schatten schien durch den Widerschein zu fliegen. Suko zog die Kurverecht eng und geriet dabei näher an das Feuer heran, sodass die Flammen ihm ihre Hitzestöße entgegenschicken konnten. Funken kreuzten seinen Weg, regneten auf ihn nieder. Er spürte das kurze Brennen auf der Haut, aber auch seine Haare wurden erwischt, doch zum Glück nicht in Brand gesteckt.
Dann hatte er ungefähr die Stelle erreicht, wo es passiert war.
Es war einige Zeit verstrichen, die der Unhold ausgenutzt hatte.
Suko suchte ihn und sein Opfer. Er ging dabei in die Richtung, in die beide verschwunden waren, und hatte Glück.
Die schattenhaften Bewegungen konnte er nicht übersehen.
Wahrscheinlich war die Frau dabei, sich zu wehren. »Nein, nicht. Was ist denn? Was wollen Sie?«
Suko blieb stehen. Fürs Erste hatte er genug gesehen. Er holte seine
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