1212 - Niemand hört die Schreie
Nur wollte ich nicht verschwinden. Ich lief mit schnellen Schritten auf den schmalen Weg, wo der zweite Typ mit der Frau stand, die noch immer in seinem Griff fest hing und jetzt leise stöhnte.
»Lassen Sie die Frau los! Sofort!«
Der Kerl grinste mich an. Er war noch jung, knapp über zwanzig. Sein Gesichtsausdruck ließ Böses ahnen, und tatsächlich schlug er mit der freien Hand nach mir. Er hatte sie zur Faust geballt und hätte mich mitten im Gesicht getroffen.
Zudem schimmerten noch Ringe an seinen Fingern, die nicht ungefährlich waren und beim Auftreffen die Haut böse einreißen konnten.
Ich war schneller als die Faust und duckte mich. Er schrie überrascht auf, als er ins Leere schlug. Dann war ich an der Reihe. Den Arm hatte ich angewinkelt und rammte ihn hoch.
Mein rechter Ellbogen traf sein Kinn voll. Ich spürte den Aufprall selbst bis in die Schulter. Der Typ ließ die Frau los, die nach vorn fiel und auf dem Weg niederkniete.
Der junge Mann aber torkelte einen Schritt nach hinten, stolperte über den knienden Körper und legte sich lang. Er schlug schwer auf. Aus seinem Mund drang dabei ein Röcheln.
Es blieb mir nicht mehr die Zeit, mich um die Frau zu kümmern, denn der zweite Mann wollte die Ehre seines Kollegen retten. Er setzte mit einem Sprung über den Sarg hinweg.
Bevor ich mich auf ihn einstellen konnte, war er in meiner Nähe und sprang mich an.
Leider schaffte ich es nicht, ihm ganz auszuweichen. Er wuchtete gegen meine linke Schulter und schleuderte mich herum, sodass ich den Halt verlor und in die kniehohen Rabatten am Wegrand fiel.
Das hatte ich nicht gewollt. Der Blonde fiel über mich. Seine Hand drückte sich in mein Gesicht. Die Finger hatte er gespreizt. Zum Glück drückten sie nicht in meine Augen.
Er wollte sich auf mich knien und holte schon mit der anderen Hand aus, als ich mit beiden Händen von verschiedenen Seiten zuschlug und dabei seine Ohren traf.
Er heulte auf. Sein Griff lockerte sich, ich schlug noch mal zu und konnte ihn dann von mir wegstoßen.
Er fiel ebenfalls in die niedrigen Gewächse hinein und rollte sich dort herum.
Für die nächste Zeit hatte er genug mit sich selbst zu tun. Ich sprang in die Höhe, denn es gab noch den zweiten Mann.
»Er ist im Auto!«, rief die ältere Frau.
In der gleichen Sekunde startete er den Motor!
Entkommen lassen wollte ich ihn nicht. Ich lief auf den Leichenwagen zu und hatte mir schon die rechte Fahrerseite ausgesucht, als das Fahrzeug auf mich zukam.
Der Kerl hatte zurückgesetzt. Bis ich das begriff, war es für ein Ausweichen zu spät.
Das Heck prallte gegen mich. Ich hörte noch das dumpfe Geräusch des Aufpralls, dann flog ich zurück, landete für einen Moment auf dem Sarg und rutschte an der anderen Seite zu Boden. In der folgenden Zeit musste ich mich zusammenreißen. Ich kam auch hoch, als ich die hastigen Tritte hörte.
Jemand sprang mich von hinten an.
Es war der Kerl, der von mir heiße Ohren bekommen hatte.
Der Aufprall wuchtete mich nach vorn, und jetzt fiel ich vorwärts über den verdammten Sarg.
»Los, komm!«
Die Worte galten nicht mir. Der Fahrer hatte sie seinem Kollegen zugerufen.
Als ich den Kopf anhob, sah ich, was passierte. Der Typ mit den heißen Ohren lief schwankend auf die Beifahrerseite des Leichenwagens zu. Er hätte auch in das Heck hineinhechten können, doch darauf verzichtete er. Der Mann war noch nicht ganz im Fahrzeug, als der Fahrer bereits Gas gab. Das war wie im Kino. Ich hörte das Aufjaulen der Reifen, das Fahrzeug schoss nach vorn, wurde herumgerissen und fuhr ohne Licht in die schmale Straße hinein, über die auch ich hatte fahren wollen. Ich stand längst wieder auf den Beinen, fühlte mich leicht angezählt, aber war nicht so down, als dass ich nicht die Verfolgung hätte aufnehmen können.
Darauf verzichtete ich, denn die Frau und auch der Sarg waren für mich wichtiger. Ich hatte die Worte der Person nicht vergessen. Eine Fahndung nach dem Leichenwagen wollte ich nicht einleiten. Über die Männer wusste die Bewohnerin des Hauses sicherlich mehr.
Ich klopfte mir den Dreck von der Kleidung und drückte den Rücken durch, der schmerzte. Ansonsten hatte ich wenig abbekommen.
Die ältere Frau stand in der offe nen Eingangstür des Hauses.
Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Erst als ich ihr zuwinkte, kam sie langsam näher.
»Danke, Mister«, sagte sie, »wer immer Sie sind. Ich möchte mich bei Ihnen bedanken.«
Ich winkte ab. »Vergessen
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