1216 - Drei Ritter der Tiefe
suchte sie mit den Augen ab, als hoffte er, irgendwo auf ein Zeichen von Atlan zu stoßen. Dabei fiel ihm zum erstenmal auf, daß er sich auf der anderen Seite des Tortransmitters befand. Das schwarze, bedrohlich wirkende Feld, das die zweihundert Meter breite und vierhundert Meter hohe Öffnung verschloß, lag nun weit rechts von ihm. Es war ohne besondere Bedeutung, Chulch registrierte bloß, daß ihn die Stahlsöldner über den Torbogen hinweggeleitet hatten. War dem eine besondere Bedeutung beizumessen?
Chulch hörte, wie Emser die Lippeninterpreten zur Wahrheitsfindung aufrief, und blickte zu Illor. Der Melukke hatte über seine Stahlsöldner bereits Kontakt zum Stahlherrn gehabt, als dieser Atlan die Botschaft zukommen ließ: „Komm zu mir - ich erwarte dich im Dom Kesdschan."
War Atlan nun in diesem Dom und beim Stahlherrn, den er Lethos-Terakdschan nannte? Chulch konnte es nur hoffen, denn davon hing ihrer aller Zukunft und die der Metropole Starsen ab.
„Gib dich Illor zu erkennen, Atlan", sagte Chulch wie zu sich selbst.
*
Illor war zuversichtlich.
Er hatte Atlan so weit wie möglich die Starsenmauer hinauf geleitet. Alle anderen mußten umkehren, nur der Hochländer hatte das letzte entscheidende Stück geschafft. Illos besaß für sich selbst Beweise genug, daß Atlan ein direkter Verbündeter des Stahlherrn war, und war sicher, daß er nun auch zu diesem vorgedrungen war. Darum war ihm vor der kommenden Wahrheitsfindung nicht bange.
Früher hatte sich der Stahlherr nur selten über seine Stahlsöldner zu erkennen gegeben, so daß die Lippeninterpreten viel improvisieren mußten. Manche, wie etwa der intrigante Litto, hatten nicht nur sehr frei improvisiert, sondern zumeist sogar manipuliert. Aber egal, welche Hinterlist sich Litto diesmal auch einfallen ließ, er würde damit nicht durchkommen.
Illor hatte einen Verbündeten und Fürsprecher beim Stahlherrn.
Als Missionar Emser das Zeichen für den Beginn der Wahrheitsfindung gab, war Illor darum nicht bange.
Illor konzentrierte sich in Gedanken auf die Stahlsöldner und bannte sie mit seinen Blicken. Zuerst liefen die Söldner scheinbar ziellos durcheinander, dann kam aber Ordnung in ihre Reinen. Blitzschnell kletterten sie aufeinander und bildeten eine zehnstöckige Wand aus ihren Leibern. Ihre Köpfe waren Illor zugewandt.
„Stahlherr! Stahlherr!" rief der Melukke. „Dein Diener Illor ruft dich und bittet dich um Gehör." Er wiederholte diese Worte noch einmal, bevor er sein eigentliches Anliegen vortrug: „Ich, Illor, habe deinen Freund Atlan die Starsenmauer bis knapp unter die Tiefenkonstante hinaufbegleitet. Er war unterwegs zu dir, unterwegs in den Dom Kesdschan, in den du ihn riefst. Ich weiß, daß Atlan sein Ziel erreicht hat, denn ich war sein Begleiter. Aber andere, die nicht dabei waren, zweifeln an meiner Überzeugung. Stahlherr!
Lethos-Terakdschan! Wenn Atlan bei dir ist, dann zeige dich deinem Diener Illor. Bestätige uns, daß dein Freund Atlan im Dom Kesdschan ist."
Illor schwieg und wartete auf eine Reaktion der Stahlsöldner. Er hätte sie leicht dazu bringen können, aus ihren Schädeln die Maske des Stahlherrn zu bilden. Darin war er so geübt wie viele andere Lippeninterpreten auch. Und er hätte dann eine Interpretation nach seinem Gutdünken geben können.
Aber er war sich seiner Sache so sicher, daß er auf solche Tricks verzichtete. Nur... die Stahlsöldner zeigten keine Reaktion. Sie waren zu einer Mauer aus stählernen Körpern erstarrt, zeigten keine Reaktion.
Illor war verzweifelt. Er wollte seinen Aufruf wiederholen, aber da erklärte Rashk, der Nadrusker: „Einen besseren Beweis für Illors Disqualifikation gibt es wohl nicht. Der Stahlherr ächtet ihn. Ich wußte es schon vorher, daß er versagen muß. Ich kenne den Willen des Stahlherrn, aber ich will Litto nicht vorgreifen.
Er hat den Vortritt."
Litto verneigte sich spöttisch in Rashks Richtung, dann wandte er sich Illor zu. Aus seinen Augen sprachen Haß und Triumph.
Illor, der Littos Methoden stets angeprangert und sich darum dessen Feindschaft zugezogen hatte, wußte, daß der falsche Interpret nichts unversucht lassen würde, um ihn auszuschalten.
Illor war es egal. Er hatte verloren. Er fragte sich immer wieder nur, worauf sein Versagen zurückzuführen war. Atlan mußte den Dom erreicht und den Stahlherrn über die Situation aufgeklärt haben. Warum schritt der Stahlherr dann nicht ein?
Litto begann mit seiner heuchlerischen
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