1216 - Drei Ritter der Tiefe
Anrufung. Er war ein guter Schauspieler und konnte die Zuschauer allein mit seinen pathetischen Worten und großartigen Gesten beeindrucken.
Illor hörte nicht hin. Er blickte kurz zu Chulch, wandte sich aber sofort wieder ab, als sich ihre Blicke kreuzten. Was mußte Atlans Freund von ihm denken! Wahrscheinlich hielt er ihn jetzt für einen Betrüger.
Durch sein Versagen hatte sich ihre Situation arg verschlechtert, denn nun würde Litto alles daransetzen, sie als Verräter hinzustellen.
Und er ging auch sofort zum Angriff über. Kaum hatte Litto die Anrufung beendet, als er die Stahlsöldner dazu brachte, aus ihren Schädeln die Stahlherrn-Maske zu formen.
Nach einer kurzen Pause ging er sofort zur Interpretation über. Eine Farce bloß, denn die erzwungenen Stahlherrn-Masken hatten nichts zu sagen. Aber das wußten Außenstehende nicht, und darum würde auch Emser leicht zu beeindrucken sein.
Natürlich würde sich Rashk hüten, Litto der Manipulation zu bezichtigen, in dieser Beziehung hielten die Interpreten zusammen. Rashk würde höchstens mit einer Gegeninterpretation antworten. In diesem Moment schämte sich Illor fast, ein Lippeninterpret zu sein. Aber größer, als seine Beschämung war seine Verzweiflung, als er Littos Lügen hörte, ohne daß der Stahlherr dagegen einschritt.
Litto verkündete mit verstellter Stimme und im Namen des Stahlherrn: „Mein Urteil ist gesprochen: Aber für die Ungläubigen sei es hier und jetzt und zum letzten mal wiederholt.
Jene, die sich in den Deckmantel meiner Freundschaft hüllen, sind in Wahrheit meine Todfeinde. Einer von ihnen, der mir zu nahe kam, wurde von mir bereits gerichtet. Die anderen werde ich ebenfalls zu mir rufen..."
Illor fragte sich entsetzt, wie weit Litto denn eigentlich gehen würde. Die Redewendung, daß „der Stahlherr jemanden zu sich ruft", war gleichbedeutend mit dem Tod. Litto konnte nicht so dreist sein, von Emser für sie alle das Todesurteil erwirken zu wollen!
Doch Litto ging sogar noch weiter. Illor merkte erst zu spät, welche Teufelei er wirklich plante.
„...ich werde alle zu mir rufen, die den verbrecherischen Elementen Vorschub leisten, ohne Rücksicht auf ihre Position. Seien es Interpreten, seien es Missionare. An sie alle ergeht mein Ruf!"
Illor sah voller Entsetzen, wie die Stahlsöldner, die in Littos Bann standen, ihre tödlichen Waffen ausführen. Die Mauer aus Stahlleibern geriet in Bewegung, als die Söldner in verschiedene Richtungen schwenkten.
„Das ist Verrat!" rief Rashk, als er die Waffenmündungen auf sich gerichtet sah. Aber nicht nur der Interpret war betroffen. Illor sah die Mündungen auch auf sich, auf Chulch und selbst auf Emser und seine Leute gerichtet.
„Der Ruf des Stahlherrn ergeht an euch alle!" rief Litto mit natürlicher Stimme triumphierend. „Wer Ghaatins Feind ist, ist auch des Stahlherrn Feind!"
Illor schloß die Augen in Erwartung der tödlichen Schüsse. Aber als er dann die fauchenden Energieentladungen hörte und keinerlei Schmerz oder Veränderung an sich feststellte, blickte er auf. Er sah die Front der Stahlsöldner gegen Litto gewandt, der in einer tödlichen Feuerblume aufging.
„Das war die Stimme des Stahlherrn!" sagte Illor aufatmend.
In dem folgenden Augenblick der Stille erklangen ferne Kampfgeräusche, die rasch näher kamen und an Intensität zunahmen.
„Was bedeutet das schon wieder?" fragte Emser, der sich von dem ersten Schock noch nicht erholt hatte.
„Ghaatin!" antwortete Illor. Er war überzeugt, daß Littos Attentatsversuch das Zeichen für den machthungrigen Missionar war, den Angriff auf Emsers Gebiet zu starten.
„Das kann es doch nicht geben", sagte Emser, der am Dachrand stand und einen langen Hals machte, um die Geschehnisse zwischen den Häuserschluchten beobachten zu können. Ein Heer von Hegeten war aufmarschiert und drängte seine Leute mit Waffengewalt zurück. Einige von jenen, die Widerstand leisteten, blieben auf der Strecke.
„Aus mir unbegreiflichen Gründen ist der Stahlherr noch nicht bereit, mit Atlan in die Geschicke von Starsen einzugreifen", sagte Illor. „Bis es soweit ist, mußt du dich gegen Ghaatin behaupten, Emser."
„Ich werde diesen Verräter in die Schranken weisen", erklärte der Vooler.
4.
Zwischenspiel: „Ich frage dich noch einmal, Atlan", erklang Lethos-Terakdschans vibrierende Stimme durch den Dom Kesdschan. „Bist du bereit, den psionischen Ritterschlag entgegenzunehmen?"
„War meine Antwort
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