1220 - Gefangen im Hexenloch
Menschen«, sagte Gitti, als wäre dies die selbstverständlichste Sache der Welt.
Kinder sahen das eben anders. Nicht mal so schlimm, und deshalb waren auch Märchen für sie nicht so furchtbar. Da konnten sie sich dann gut abreagieren.
»Aber wir können trotzdem hingehen, nicht wahr?«
»Wenn du willst«, sagte Sascha.
»Klar, darauf habe ich gewartet.«
Noch mal schauten sich die Beiden an. Sie nickten zugleich.
Da wusste ich, dass sie mich akzeptiert hatten, und ich war froh, dass es endlich vorangingen…
***
Es war kein Spaziergang, den ein Vater mit seinen beiden Kindern unternahm, auch wenn es so aussah, denn Gitti und Sascha hielten sich an meinen Händen fest. Sie gaben sich sehr unbefangen. Die Kinder hatten sich an diese Umgebung gewöhnt. Sicherlich nicht freiwillig.
Meiner Ansicht nach musste die Hexe durch einen gewissen Psychoterror nachgeholfen haben. So hatte sie die Geschwister durch rein geistige Kraft zu neutralen Wesen geformt.
Es gab für mich auch Hoffnung, denn die Kinder hatten nicht mit einem Wort erwähnt, dass die drei Erwachsenen tot waren.
Wäre es so gewesen, hätten sie etwas gesagt. Deshalb baute ich darauf, dass ich Harry Stahl und auch die beiden Helms lebend vorfinden würde. Allerdings musste ich mich also auf einen recht schlimmen Anblick gefasst machen. Auf drei Menschen, die an Marterpfähle gefesselt waren.
Elvira hielt sich zurück. Ich glaubte nicht daran, dass sie feige war. Sie lauerte nur auf eine günstige Gelegenheit. Dass sie letztendlich vor mir geflohen war - zumindest hatte es für mich so ausgesehen -, konnte daran liegen, dass sie schon mein Kreuz und dessen Aura gespürt hatte. Sie wusste, dass ich nicht so einfach zu besiegen war.
Ich versuchte, mir den Weg zu merken, den wir gingen, aber das war fast unmöglich. Der Wald war zu undurchdringlich.
Wir mussten Umwege gehen, und dass sich Hänsel und Gretel im Märchen verlaufen hatten, lag auf der Hand.
Die Kinder sprachen nicht. Es kam mir sehr entgegen. So galt meine volle Konzentration den Geräuschen in der Umgebung, die sich allerdings in Grenzen hielten.
Da war nichts Verräterisches zu hören, was nicht hierher gehörte. Es blieb auf eine bestimmte Art und Weise still - bis ich plötzlich die mir schon bekannten Laute vernahm.
Bevor mich der riesige Keiler überraschte, hatte ich die Laute vernommen, und jetzt drang das hässlich klingende Grunzen abermals an meine Ohren. Ich fü hlte mich wie unter Strom gestellt und blieb mit den Kindern abrupt stehen.
»Sie sind nah, nicht?«
Sascha nickte mir zu und zeigte dann nach rechts. Als ich den Kopf drehte, sah ich nichts, weil wieder dieser grüne Vorhang alles verdeckte, aber ich glaubte nicht daran, dass ich mich geirrt hatte.
Ich wollte die Kinder nicht mit hineinziehen, ließ sie stehen und machte mich allein auf den Weg. Ich beeilte mich. Eine innere Stimme trieb mich an, und ich musste mich tatsächlich durch den dichten Wald vorkämpfen, wie jemand, der sich seinen Weg durch den Dschungel bahnt. Auf Geräusche konnte ich bei dieser Aktion nicht achten. Da hatte es keinen Sinn, zu schleichen. Das Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, war wichtiger.
Es war, als hätte das Schicksal mit mir ein Einsehen gehabt und gewaltige Hände bestellt, die mir den Weg frei räumten. Es gab dann diese Lücke, auf die ich gewartet hatte, um endlich freie Sicht zu bekommen, und die erhielt ich beschränkt.
Beinahe wäre ich gegen das Hindernis gelaufen. Die Kinder hatten sich nicht geirrt. Auf einem lichtungsähnlichen Platz hatte Elvira tatsächlich diesen verdammten Käfig aus langen, biegsamen Weiden- oder Holzstäben gebaut, die von anderen, quer laufenden gehalten wurden.
Aufgrund der nicht mehr so stark wachsenden Vegetation erhielt das Licht auch mehr Freiheit. Ich sah in den Käfig hinein und sah auch die drei gefesselten Menschen, wobei die Person in der Mitte mein Freund Harry Stahl war.
Ein kleiner Stein fiel mir vom Herzen, denn alle Drei lebten.
Der nächste Stein war groß, aber der blieb noch liegen, denn die Gefangenen befanden sich in einer alles andere als bene idenswerten Lage. Sie wurden von zwei mächtigen Keilern bewacht, die sprungbereit vor ihnen standen und nur darauf warteten, einen entsprechenden Befehl zum Angriff zu bekommen.
Ute Helm ging es am schlechtesten. Für sie waren der Pfahl und die Fesseln so etwas wie eine Hilfe. Wären sie nicht gewesen, hätte sich die Frau mit den braunen Haaren nicht auf den
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