1220 - Gefangen im Hexenloch
drehen - und sah den zweiten Keiler, der sich auf seine Hinterläufe aufgerichtet hatte.
So presste er sich gegen Boris Helm und versuchte, dessen Kehle zu durchbeißen…
***
Geschrien hatte Ute Helm. Und sie schrie auch jetzt noch, weil sie eine grenzenlose Angst um ihren Mann hatte, der bereits auf dem schmalen Grat zwischen Leben und Tod stand.
Ich hätte schießen können, tat es aber nicht. Es hätte schon ein Blattschuss sein müssen, um das Tier von seinem Vorhaben abzubringen. Das Risiko konnte ich in diesem Licht nicht eingehen.
So blieb mir nur eine Möglichkeit. Ich machte es wie der große Dschungelheld Tarzan, sprang auf das Tier zu, umklammerte es mit dem rechten Arm und riss es von Boris Helm weg.
Ich hätte nie gedacht, wie schwer ein Wildschwein sein kann.
Das Gewicht trieb mich nach hinten. Der Druck schaffte mich, sodass ich zu Boden fiel, aber das Tier glücklicherweise nicht auf mich, weil ich es im letzten Augenblick zur Seite drängte.
Es war zu einem zappelnden und um sich schlagenden Koloss geworden. Es mit den körperlichen Kräften zu bändigen, war nicht möglich. Außerdem hieß ich nicht Tarzan.
Ich lag auf dem Rücken. Das Tier dicht vor meinen gestreckten Beinen. Ein normalgewichtiges Wildschwein wäre sicherlich schneller auf seine Beine gekommen, bei diesem hier dauerte es eine gewisse Zeitspanne.
Ich richtete mich auf.
Dann schoss ich im Sitzen!
Wieder jagte ich zwei Kugeln in den Kopf des Wildschweins.
Und wieder traf ich es so, dass es durch die Geschosse fast auseinander gerissen wurde.
Was mir da entgegenspritzte, war feucht und klumpig. Ein widerliches Zeug, aber trotzdem konnte es meine Aktion nicht stoppen. Mit einer geschmeidigen Rechtsdrehung kam ich wieder auf die Beine. Die beiden Wildschweine waren erledigt, um sie brauchte ich mich nicht mehr zu kümmern. Die anderen waren wichtiger.
»Wurde auch Zeit, John, dass du hier erscheinst«, erklärte mir Harry mit krächzender und belegter Stimme, wobei er verbissen grinste.
»Ja, ja, du bist gleich an der Reihe.« Ich wollte mich um Boris Helm kümmern. Mit einem Blick hatte ich erkannt, dass es ihm verdammt schlecht ging. Das verdammte Wildschwein hatte schon zubeißen können. So war das Gebiss des Keilers mit seinem Kinn und auch den Lippen in Berührung gekommen. Eine breite Stelle unter der Nase war mit Blut beschmiert.
Er schaute mich mit einem irren Blick an. Ich wollte ihn natürlich befreien und die Fesseln mit meinem Taschenmesser losschneiden, als ich den Schrei der Frau hörte.
Sofort fuhr ich herum.
Man tat ihr nichts. Trotzdem hielt sie die Angst in ihren Klauen. Auch Harry Stahl schaute wie Ute Helm starr in eine Richtung. Das hatte seinen Grund, denn außen vor dem Gitter hatte sich die Hexe aufgebaut. Und sie hatte sich beide Kinder geholt und umschlang mit ihren Armen deren Hälse…
***
Da hatte sich auch für mich ein Albtraum erfüllt, denn so konnte sie ihren letzten Trumpf ausspielen. Ich traute ihr die Kraft zu, dass sie es schaffte, die Geschwister zu töten, indem sie ihnen tatsächlich das Genick brach.
Elvira kicherte durch die Lücken hindurch. Ihre Augen glänzten wie im Fieberwahn. Mit guten Worten und Überredungskünsten würde ich bei ihr nicht viel erreichen und deshalb verhielt ich mich still.
»Meine Tiere kannst du killen, Sinclair. Jetzt versuche es mal mit mir!«
»Lass sie los!«
Sie spie mir vor die Füße. »Ich wusste, dass du so etwas sagen würdest. Von Menschen kann nichts anderes kommen. Aber du hast dich geirrt, Sinclair.«
»Was willst du?«
»Sie gehören mir!«, behauptete sie mit fester Stimme.
»Die Kinder haben dir nichts getan!«
Ihr Lachen klang bösartig. Dann fragte sie mit schriller Stimme: »Haben dir meine Keiler etwas getan?«
»Nein, Elvira, aber sie waren dabei, einen Menschen zu ermorden. Und ich bin gekommen, um dies zu verhindern.«
Ich sah, wie sie zitterte. Dann schaute ich in die Gesichter der Geschwister. Die beiden Kinder schienen aus einem Traum erwacht zu sein, denn erst jetzt hatten sie den Ernst der Lage überhaupt begriffen. Sie wussten, in welch einer Lage sie sich befanden, trotz ihres jungen Alters. Der Bann der Hexe war gebrochen worden.
»John, sie hat mir meine Waffe abgenommen«, meldete sich Harry hinter mir.
»Danke.« Ich hielt meine Beretta weiterhin in der rechten Hand. Allerdings wies die Mündung zu Boden. Ich hütete mich, sie anzuheben und auf die Hexe zu zielen. Jede falsche Reaktion hätte den
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