1220 - Gefangen im Hexenloch
sich. Plötzlich verlor der Körper seine Normalität. Vor meinen Augen löste er sich auf, und zugleich entstand das Licht.
Ich war zu überrascht, um noch eingreifen zu können. Da hatte sich Elvira bereits in eine zittrige Gestalt verwandelt, die als leuchtendes, feinstoffliches Wesen von mir wegglitt und so schnell war, dass ich sie nicht mehr stoppen konnte.
Auch die Wand des Hauses hielt sie nicht auf. Für einen kurzen Augenblick zeichnete sich ihre Gestalt darin ab, dann war sie weg, und ich hatte das Nachsehen.
Das Kreuz lag zwar in meiner Hand. Ich merkte auch die leichte Wärme, mehr jedoch hatte ich nicht erreicht und vor allen Dingen keinen Hinweis auf die Verschwundenen gefunden.
Das machte mich alles andere als glücklich, und ich knirschte vor Wut mit den Zähnen. Zugleich schossen in mir kalte und heiße Ströme in die Höhe, und meine Hände verkrampften sich zu Fäusten.
Es gab nichts daran zu rütteln. Ich war tatsächlich allein in diesem Hexenhaus zurückgeblieben und hatte mich reinlegen lassen. Man soll niemals einen Gegner unterschätzen. Das hatte ich mir eingeprägt, und diesen Rat hatte ich auch anderen Personen weitergegeben. Jetzt aber stand ich da wie vor den Kopf geschlagen und wusste nicht mal, wo die Gefangenen versteckt gehalten wurden.
Das war keine Meisterleistung gewesen. Aber ich wusste, wozu Elvira fähig war und stellte mich jetzt darauf ein. Mir war klar, dass sie nicht aufgeben würde. Aber sie war gewarnt, und sie würde mich nicht als einen normalen Gegner einstufen, sondern in die Kategorie derjenigen stecken, die nicht so einfach zu besiegen waren.
Es war ihre Zeit. Es war ihre Welt. Ich musste mit Tricks und Fallen rechnen, deshalb war ich entsprechend vorsichtig, als ich auf die niedrige Tür zuging und dann geduckt und mit einem großen Schritt das Haus verließ.
Diesmal hatte ich die Waffe gezogen. Nur sah ich kein Ziel.
Ein gemästetes Wildschwein war von mir erschossen worden.
Die beiden anderen Tiere hatten sich in diesem dichten Hexenwald versteckt, in dem es genügend Orte gab, sich unsichtbar zu machen.
Es war noch nicht Nacht, aber das Tageslicht wurde durch den dichten Bewuchs abgehalten, der in dieser Zeit noch intensiver war als in der Gegenwart.
Ich lauschte - hörte etwas und trotzdem nichts, das mich hätte weiterbringen können. Es waren Geräusche um mich herum. Es raschelte, es huschte. Es waren Stimmen vorhanden. Mal ein Piepen, dann ein leiser Schrei, der allerdings nicht von einem Menschen stammte, und genau die Menschen suchte ich, die in diesem grünlichen Dickicht versteckt waren.
Mit leicht tappenden Schritten bewegte ich mich über den Waldboden hinweg. Dabei fühlte ich mich in dieser Dichte gefangen und wusste auch nicht, wo ich mit der Suche beginnen sollte. Wahrscheinlich nicht in der Richtung, aus der ich gekommen war. Wenn jemand versteckt werden sollte, dann tiefer in dieser Wildnis. Also musste ich mich nach rechts wenden. Zunächst mal.
So sehr ich mich bemühte, zwischen den einzelnen Bäumen hatten sich die Schatten festgesetzt und durchwehten die Lücken wie grün eingefärbte Schleier.
Elvira zeigte sich natürlich nicht. Ich hätte was darum gegeben, ihre leuchtende Gestalt zu sehen, aber sie kannte genügend Schlupfwinkel oder war bereits wieder zu einem normal aussehenden Menschen geworden.
Ich atmete, aber der Wald atmete auch. Ich spürte diesen Atem, wie er mich umwehte. Er drang aus allem, was sich in meiner Umgebung befand. Jede Pflanze, jeder Baum und auch jedes Blatt schien von ihm angesteckt worden zu sein. Hier hatte die Hölle eine Filiale errichtet und eine perfekte Leiterin dafür gefunden.
Ich dachte an die beiden Kinder, und mich überkam der Eindruck, dass sie so etwas wie ein doppelter Joker in diesem höllischen Spiel waren. Die beiden hatten Freiheiten bekommen, die der Hexe nicht gefährlich werden konnten. Sie ließ sie laufen, weil sie wusste, dass sie ihr nicht entkommen würden.
Dass die Geschwister für sie und sich selbst eine Zukunft sein konnten, gefiel mir gar nicht, denn wenn die Hexe die Kinder nicht mehr benötigte, kannte sie keine Gnade. Ebenso wenig wie auch die Hölle.
Ich war bei meinen Gedankengängen nicht auf der Stelle stehen geblieben und weiter durch den Wald gegangen.
Natürlich mit sehr offenen Augen, aber einen Hinweis hatte ich bisher nicht bekommen. Ich wartete auf einen Ruf und hoffte, die Stimme eines Menschen zu hören, aber auch Harry ließ mich im
Weitere Kostenlose Bücher