1221 - Geschäft mit der Angst
nicht.«
»Und was macht Sie so sicher?«
»Weil die Menschen, die aus der Klinik entlassen werden, kranker sind als zuvor.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Sie haben gelernt, ihre Angst zu konkretisieren!«, flüsterte Ted Quinlain mit scharfer Stimme.
Bill gab zunächst keine Antwort. Er sah den gespannten Blick des Pflegers auf sich gerichtet und schüttelte den Kopf. »Auch wenn Sie mich jetzt für dumm halten, ich kann noch immer nicht begreifen, was Sie mir mit diesen Worten haben sagen wollen.«
»Die Angst ist dann richtig da. Das sagte mir mal ein Patient. Er hat sie viel schlimmer erlebt.«
»Wieso richtig?«
Ted Quinlain ballte die Hände zu Fäusten und winkelte die Arme an. »Konkretisiert. Was sich der Patient zuerst nur eingebildet hat, erlebt er nun in der Wirklichkeit. Soll ich Ihnen ein konkretes Beispiel nennen, Mr. Conolly?«
»Das wäre sehr hilfreich.«
»Gut.« Ted überlegte einen Moment. »Stellen Sie sich vor, Sie werden von einer mächtigen Angst unter Druck gehalten. Tag und Nacht. Sie erleben das Grauen. Sie können nicht schlafen, Sie durchleben die schlimmsten Dinge, sehen die grauenhaftesten Szenen. Da ist zum Beispiel jemand hinter Ihnen her, irgendein Monstrum, das eine gefährliche Waffe besitzt und Sie damit umbringen will. Sie kämpfen dagegen an und wollen Ihre Angst loswerden, aber Sie schaffen es nicht. Also entscheiden Sie sich dafür, in die Klinik zu gehen und sich behandeln zu lassen. Da geraten Sie in die Hände des Meisters, der Ihre Angst konkretisiert. Plötzlich erscheint das, was sich bisher nur in Ihrer Fantasie abgespielt hat, wahrhaftig bei Ihnen. Und Sie träumen nicht. Sie sind wach. Sie selbst sehen das alles so klar und deutlich wie durch eine Lupe. Nur für einen anderen Menschen bleibt der Schrecken unsichtbar. Sie aber werden mit ihm so verdammt konkret konfrontiert. Das genau ist in der Klinik geschehen. Da wurde die Angst zur Realität.«
»Um die Patienten heilen zu können?«
Quinlain winkte ab. »Das habe ich auch geglaubt, aber es wurde schlimmer, viel schlimmer. Es hört sich nicht gut an, aber ich sage es trotzdem. Die Menschen verlassen unsere Klinik als Verrückte, was sie bei ihrer Einlieferung nicht gewesen sind.«
Bill nickte. Er schwieg dabei. Er musste sich die Worte durch den Kopf gehen lassen. Was er erfahren hatte, war eigentlich unglaublich und unerhört. Die meisten Personen hätten abgewunken. Das tat er nicht. Dafür hatte er zu viel schon erlebt.
Ted Quinlain war wieder ins Schwitzen geraten. Er schaute sich auch wieder nach einem Verfolger um, aber es war niemand in der Nähe zu sehen. Der Weg blieb leer.
»Ich gehe davon aus, dass Sie Recht haben«, sagte Bill, »und…«
»Es stimmt alles.«
»Klar, aber lassen Sie mich bitte ausreden. Es liegt auf der Hand, dass sich auch bei mir Fragen aufgebaut haben.«
»Natürlich.«
»Diesen Zustand der Patienten hat also der Leiter der Klinik zu verantworten, dieser Meister.«
»Er kümmert sich um alles.«
»Dann stellt sich bei mir die Frage, wie er es schafft, die Menschen auf eine derartige Art und Weise zu manipulieren. Das will mir nicht in den Kopf.«
»Mir auch nicht, Mr. Conolly. Aber der Meister wendet seine eigenen Methoden an.«
»Und die wären…?«
»Ha, wenn ich das genau wüsste. Ich bin kein Arzt und nur ein kleiner Pfleger, den niemand groß in die Geheimnisse einweiht. Aber ich habe meine Ohren nicht geschlossen und konnte erfahren, dass der Meister die Menschen auf eine raffinierte Art und Weise manipuliert. Er spielt mit ihrer Angst. Er steigert sie noch und macht ihnen klar, dass sie keine Angst mehr zu haben brauchen.«
»Warum nicht?«
Quinlain hob die Schultern. »Er geht dabei von einem Schutzengel-Prinzip aus.«
»Oh, das ist mir neu.«
»Ich kann mich damit auch nicht anfreunden.« Ted drehte sich und suchte einen Baumstamm als Rückenstütze. »Aber es ist so. Er sagt den Menschen, dass sie keine Angst mehr zu haben brauchen, weil jeder von ihnen einen persönlichen Schutzengel hat, der auf sie aufpasst. Ist doch auch eine Methode - oder?«
Bill zuckte mit den Schultern. »Kann sein. Trotzdem kann ich mich damit nicht anfreunden. Für mich gehört die Angst zum Leben. Denn ohne Angst gibt es keinen Mut. Man kann nicht ohne Vorsicht durch das Leben laufen und alles dem Schutze ngel überlassen. Schließlich ist man jemand, der denkt und auch handelt.«
»Der Meinung bin ich auch. Nur nicht der Meister. Leider behandelt er die
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