Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1227 - Verschollen im Mittelalter

1227 - Verschollen im Mittelalter

Titel: 1227 - Verschollen im Mittelalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Smith
Vom Netzwerk:
man einen Tunnel, durch den Zeitreisen möglich wären. Diese Zeittunnel nennen wir Wurmlöcher.«
    Ein Blitz entflammte den Himmel und kurz darauf explodierte ein gewaltiger Donner über der Burg. Einige Schüler zuckten zusammen. Nelson warf einen Blick auf die Uhr. Noch wenige Minuten…
    »Sie müssen sich das so vorstellen«, erklärte ihr Lehrer und malte im Abstand von etwa einem Meter zwei Punkte an die Tafel. »Dies sind zwei Orte im Universum, eine Milliarde Lichtjahre voneinander entfernt. Nehmen wir an, die Tafel wäre biegsam. Wir können sie so weit zusammendrücken, bis die beiden Punkte nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. Dann bohren wir da, wo die Punkte sind, von beiden Seiten ein Loch durch die Tafel und schieben einen Strohhalm hindurch. Der ist jetzt unser Wurmloch, durch das Sie eine Milliarde Lichtjahre in einem Moment überwinden. Sehen Sie, so.«
    »In den achtziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts«, fuhr Professor Winkeleisen fort, »hat der US-amerikanische Physiker Kip Thorne von der University of California in Berkeley anhand dieses Modells die Möglichkeit von Zeitreisen wissenschaftlich dargelegt. Sein Freund und Kollege Stephen Hawking blieb zunächst skeptisch: Um eines dieser winzigen Wurmlöcher aufzublähen und so lange offen zu halten, dass ein Raumschiff hindurchgleiten könnte, wären gigantische Mengen an negativer oder exotischer Masse notwendig. Solche Mengen sind für uns jedoch nicht verfügbar, was im Übrigen auch Kip Thorne bewusst war. Immerhin wollte er nicht ausschließen, dass eine Superzivilisation in ferner Zukunft über genug Energie verfügen könnte, um Wurmlöcher als Zeitschleifen nutzbar zu machen. Aber das werden selbst Sie nicht mehr erleben, fürchte ich.«
    Irgendeiner schnippte ein Papierkügelchen durch die Gegend, das haarscharf an Luk vorbeizischte. Luk zuckte zusammen. Alle lachten.
    Bis auf Nelson.
    Der starrte fasziniert nach draußen und zählte rückwärts: sieben, sechs, fünf, vier, drei, zw…
    Im nächsten Moment geschahen mehrere Dinge gleichzeitig: Ein greller Blitz zuckte durchs Klassenzimmer, den ein fürchterlicher Donner begleitete. Er ließ das alte Gemäuer bis in seine Grundfesten erzittern. Einige Schüler schrien vor Schreck spitz auf, andere duckten sich, und Professor Winkeleisen fuhr so heftig zusammen, dass er den Stuhl, auf den er sich soeben setzen wollte, verfehlte und mit seinem Hosenboden auf den Eichendielen landete. Während alle wie gebannt hinausstarrten, wo ein Feuerwerk aus Blitz und Donner niederging, warf Nelson einen Blick auf seine Uhr. Es war exakt sechzehn Uhr, achtzehn Minuten und dreißig Sekunden. Auch in Zukunft würde er nicht ohne Kompass durch die Weltgeschichte spazieren müssen.

2
     
     
     
    »Gott blies und sie wurden zerstreut«, zitierte einer. »Gott würfelt nicht, er kegelt«, antwortete ein anderer.
    »Gäbe es keinen Gott, so müsste man ihn erfinden«, warf ein Dritter ein.
    Sie standen in Gruppen beieinander. Kurz nach dem Donnerwetter hatte sie die Ouvertüre zu Beethovens Neunter in die letzte Pause dieses Tages gerufen. Professor Winkeleisen war als einer der Ersten draußen gewesen. Nelson hatte ihn in sein Zimmer eilen sehen, wo er wahrscheinlich im Lotussitz hockend das mächtige »Ommm« beschwor.
    Zwar stand vielen Schülern der Schreck noch deutlich ins Gesicht geschrieben, vor allem die Jungen gaben sich jedoch betont lässig.
    Nelson entdeckte Judith, die mit geschlossenen Augen an einem Pfeiler lehnte. Sie hatte jetzt eine bunte Flickenjacke an, aus der einzelne Wollfäden heraushingen. Judith sah cool aus, fand Nelson, auf eine seltsame Weise unnahbar und verletzlich zugleich.
    Er schlenderte hinüber. »Hey«, sagte er.
    »Lord Nelson«, antwortete sie ohne ihre Augen zu öffnen. »Auch keine Lust auf die geistige Diarrhö unserer geschätzten Mitschüler?«
    Nelson grinste. »Nicht wirklich.«
    »Du bist neu, richtig?«, fragte Judith und schlug die Augen auf. Erst jetzt bemerkte Nelson, dass sie mit dem Peace-Zeichen bedruckte Kontaktlinsen trug.
    »Relativ«, antwortete er. »Bin einige Wochen lang in der Klasse von Professor Benjamin gewesen, aber seine fraktale Geometrie war mir zu theoretisch.«
    »Soso, zu theoretisch«, erwiderte Judith und blickte ihn spöttisch an.
    Nelson merkte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Er ging in die Hocke. Tat so, als ob sich sein Schuhband gelöst hätte. Er hasste das. Es passierte einfach zu oft. Als ob er

Weitere Kostenlose Bücher