1230 - Psychofrost
spiegelblanken See hatten nichts anderes erwarten lassen. Was mich verwirrte, war die Tatsache, daß die Temperatur im Anzug sank. Pro Minute wurde es um ein Zehntel Grad kälter.
Es war unmöglich.
Selbst wenn der SERUN trotz seiner nahezu perfekten Isolierung Wärme verlor, würde die Klimaanlage die Temperatur konstant halten.
„Die SERUNS sind nicht in der Lage, den Wärmeverlust auszugleichen", stellte Rhodan nüchtern fest. „Die Klimaanlage steuert dagegen, doch ohne Erfolg. Ich habe so etwas noch nie erlebt."
Automatisch sahen wir Taurec an.
Der Kosmokrat machte eine resignierende Handbewegung. „Mein Anzug ist ebenfalls betroffen. Offenbar handelt es sich um kein technisches Problem der SERUNS, sondern um die Folge eines äußeren Einflusses."
„Psychofrost", stieß Calincula hervor. Es klang wie ein Fluch.
Ja, dachte ich. Psychofrost. Aber hier auf Zülüt manifestiert er sich in anderer Form als auf der KISCH. Hier beeinflußt er in extremem Maß die physikalische Umwelt... Der Schnee, die Eisschollen, die frostklare Luft...
„Eine neue Komponente", bemerkte Gesil. „Zuerst hatten wir es mit einem psychischen Phänomen zu tun. Jetzt mit einem physikalischen."
„Mit einem kryophysikalischen Phänomen, um dem Kind einen Namen zu geben", sagte Taurec. „Ich frage mich nur, ob die kryophysikalische Komponente die psychisch wirksame Komponente ersetzt oder ergänzt."
„Deine Sorgen möchte ich haben!" zeterte Gucky. „Mir friert der Nagezahn ein, und du widmest dich der Erfindung von Zungenbrechern. Wir sollten besser von hier verschwinden, ehe wir uns in Eiszapfen verwandeln!"
Ich räusperte mich und sagte: „Da ist noch ein wichtiger Punkt; der wichtigste Punkt überhaupt."
„Sprichst du von mir?" fragte Gucky.
„Ich spreche von dem Eisigen", erklärte ich, „der für den Temperatursturz in dieser Gegend verantwortlich ist. Wir sollten uns um ihn kümmern, bevor er sich um uns kümmert."
„Vielleicht kümmert er sich bereits um uns", murmelte Gesil. „Vielleicht können die Eisigen den Psychofrost gezielt einsetzen und die Wirkung so manipulieren, daß sie nicht mehr die menschliche Seele angreift, sondern die physikalische Umwelt verändert."
„Fragen wir den Eismann", schlug ich grimmig vor. „Suchen wir Yürns tiefgekühlte Freunde, und wenn wir sie gefunden haben, werden wir erfahren, was der Psychofrost ist und ob die Eisigen ihn bewußt kontrollieren können."
„Ja", nickte Taurec. „Machen wir uns auf die Suche. Ich fürchte, wir haben nicht mehr viel Zeit."
Ich verstand die Anspielung. Wir alle verstanden sie. Langsam, aber unaufhaltsam sank die Temperatur. Die Klimasysteme unserer SERUNS arbeiteten mit höchster Leistung, doch die Wärme, die sie erzeugten, schien noch in der Sekunde ihrer Entstehung vom arktischen Hauch des Psychofrosts fortgeweht zu werden.
Mit jeder Minute verringerte sich die Temperatur um ein Zehntel Grad Celsius. Wir konnten uns ausrechnen, wann wir Zülüt verlassen mußten, um nicht bei lebendigem Leib zu erfrieren.
Düster sahen wir uns an.
Plötzlich sagte Satzinger: „Wir sollten mehr Vertrauen ins Schicksal haben. Ich meine, mehr Vertrauen zum Krehl. Die Freunde des Krehls sind vor Schicksalsschlägen sicher.
Weil er ein Dichter ist; und wer seine Gedichte kennt, den kann nichts mehr erschüttern..."
Und in diesem Moment wußte ich, daß Satzinger verloren war. Ich wußte es instinktiv.
Mit prophetischer Klarheit erkannte ich, daß keine Macht des Universums diesen jungen Mann noch retten konnte, denn er vertraute dem Schicksal; in seinem Wahn hielt Satzinger das Schicksal für eine gütige, weise und gerechte Kraft, die nur existierte, um jene zu schützen, die ihren Schutz brauchten.
Aber das Schicksal war nicht gütig und gerecht. Es war blind und von grausamer Gleichgültigkeit.
Ich sah den Tod für Satzinger voraus, doch ich vergaß dabei das Krehl ,und den, der hinter dem Krehl stand.
16.
Wir teilten uns in zwei Gruppen. Die eine Gruppe unter Führung des Kosmokraten Taurec hatte Yürns Space-Jet zum Ziel, da anzunehmen war, daß Yürns Spur zu anderen Eisigen führen würde.
Die zweite Gruppe, Rhodans Gruppe, zu der auch ich gehörte, flog in Richtung Osten davon. Unser Ziel war eine kleine hanische Küstenstadt.
Wir wußten, was uns dort erwartete. Wir hatten die Satellitenbilder der positronischen Sonden gesehen, und wir hielten ständigen Kontakt mit der KASCHMIR im geostationären Orbit über Zülüt.
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