1234 - Piratensender Acheron
Lichtung, aktivierte den leichten Schutzschirm, der ihn vor den Insektenschwärmen bewahren sollte, und begab sich auf dem gekennzeichneten Weg in die Richtung, in der er die Unbekannte gesehen hatte. Er rief sie über Sprechfunk einige Male an, bekam aber keine Antwort. Das konnte nur bedeuten, daß sie nicht genügend ausgerüstet war, denn sonst hätte sie ihn empfangen müssen.
„Was für ein bodenloser Leichtsinn" schimpfte er. Es kam nie vor, daß sich Spaziergänger in dieses Reservat verirrten, denn es war ausreichend gekennzeichnet und abgesichert. Aber es passierte hin und wieder, daß Bürger hier herkamen, um sich Nervenkitzel zu verschaffen. Ja, es gab sie noch, die verkappten Abenteurer, in denen plötzlich der alte Pioniergeist erwachte. Nosh nannte sie Sonntagspioniere.
Nosh traf die Unbekannte hundert Meter von der Stelle entfernt, an der er sie aus seinem Schweber beobachtet hatte. Sie sah ihn im selben Moment, zeigte sich aber nicht im geringsten überrascht oder erschrocken. Sie lächelte auf eine sehr reizende Art. Nosh hätte es verführerisch genannt, wäre er nicht einige Generationen drüber gewesen, um ihr Typ sein zu können. Aber die Frau hatte eine Ausstrahlung, die seltsame Gefühle in ihm weckte. Sie verwirrte ihn.
„Hallo", sagte sie. „Ich hätte nicht geglaubt, in dieser Landschaft einen Menschen zu treffen."
„Ich auch nicht", sagte Nosh. „Ich bin der Naturhüter in diesem Reservat, und ich achte mit meinen Robotern darauf, daß unvorsichtige Bürger nicht zu Schaden kommen. Ich heiße Nosh Yamido, aber alle nennen mich Noshi."
„Früher muß hier alles anders gewesen sein", sagte die Frau.
„Das ist richtig", bestätigte Nosh. „Es war ein großes Versuchsgelände, feucht und sumpfig, ein eigenes Öko-System innerhalb der terranischen Ökologie. Es wimmelte hier nur so von exotischen Lebewesen von anderen Welten, deren Verhalten man studierte.
Aber frage mich nicht, was dabei herausgekommen ist, Bürgerin ..." Nosh machte eine Pause, aber als die Frau die Gelegenheit nicht nutzte, sich vorzustellen, fuhr er fort: „Nach Vishnas vierter Plage hat sich hier alles verändert. Nun gibt es hier nur noch die Flora und Fauna des Xenoformings. Man hat die Verbreitung der fremdartigen Lebensformen unterstützt, so daß dieses Reservat entstand. Es ist eigentlich nicht erlaubt, dieses Gebiet zu betreten. Viel zu gefährlich für Sonntagspioniere."
Nosh stellte erst jetzt fest, daß die Frau keinerlei Mückenstiche aufwies. Sie trug eine am Körper anliegende Kombination, die zeitlos war und nur ihren Kopf und ihre Hände freiließ. Aber ihre Haut war makellos, und ihre Kleidung zeigte nicht einmal die Spuren von Attacken der Killerpflanzen, die es abseits der gekennzeichneten Wege überall gab.
„Obwohl ich noch nie hier war", sagte die Frau, „suche ich nach alten Erinnerungen."
„Wie alt?"
„Etwa drei Jahre..."
„Das war vor meiner Zeit", stellte Nosh fest. „Ich betreue das Reservat erst, seit es in dieser Form besteht. Ich wundere mich eigentlich, wie du durch die Sicherheitssperre gekommen bist, ohne daß die Roboter Alarm schlugen, Bürgerin..."
„Sicherheitssperre, gibt's die?" Die Frau schien etwas verwirrt. Nosh hatte plötzlich das Gefühl, sie schon irgendwann einmal gesehen zu haben. Von wo müßte er sie kennen?
War sie doch schon hier gewesen? Die Frau lächelte und lenkte ihn damit von seinen Gedanken ab. Sie fragte: „Darf ich wiederkommen?"
„Wende dich dann aber vorher an mich", sagte Nosh. „Ich fürchte nur, du wirst nichts mehr finden, das dich an früher erinnert."
„Doch", versicherte die Frau überzeugt. „Ich bin den alten Spuren bis hierher gefolgt. Es gibt Ereignisse, die ihre Abdrücke für immer hinterlassen und durch Veränderungen dieserart „nicht ausgelöscht werden können. Ich finde bestimmt noch, wonach ich suche."
Sie ließ Nosh einfach stehen und ging davon. Seltsamerweise fürchtete er nun nicht mehr um ihre Sicherheit. Was für eine seltsame, bemerkenswerte Frau.
Nosh kehrte zum Schweber zurück und flog eine langsame Runde über das Reservat, konnte die Unbekannte aber nirgends mehr entdecken. Er kehrte zur Reservatsgrenze zurück und wollte den Schweber schon landen, als ihn über das Bildsprechgerät ein Anruf erreichte. Es war Anne Piaget, die mit ihren Schmuddelkindern drei Meilen westwärts campierte.
„Hallo, Noshi", begrüßte sie ihn lächelnd von dem kleinen Monitor. „Die Wettermacher meinen es
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