124 - Die Königin der Nacht
sich. Sein Knochengesicht war wie immer ausdruckslos. Er kam zu Coco. „Gehen wir weiter", sagte er. „Die Plastik hat auf meine beschwörenden Zeichen auch nicht reagiert. Im Augenblick wohnen ihr keine magischen Kräfte inne."
„,Aber du schließt nicht aus, daß sie sich mit magischen Kräften aufladen könnte?" fragte Coco. „Das kann man grundsätzlich nie ausschließen", antwortete Olivaro.
„Machen wir uns auf die Suche", schlug Dorian vor. „Hier müssen irgendwo Menschen leben."
Coco blickte sich während des Weitergehens immer wieder um, doch die Chakras blieben verschwunden. Mit jedem Schritt wurde das Gefühl einer unheimlichen Bedrohung stärker.
Plötzlich tauchte zwischen den Bäumen das Dach eines Bungalows auf, der im englischen Kolonialstil gebaut war.
Coco stieß einen spitzen Schrei aus und preßte unwillkürlich die Hand auf den Mund.
„Was ist?" fragte Dorian alarmiert und griff instinktiv unter sein Hemd nachdem Handgriff des Ys- Spiegels.
„Dämonen!" stellte Coco fest. „Ich kann ganz eindeutig die Ausstrahlung von irdischen Dämonen wahrnehmen. Es müssen welche ganz in der Nähe sein, nur kann ich nicht sagen, in welcher Richtung sie lauern."
„Vielleicht haben sie uns längst umzingelt", stellte Olivaro fest. „Swami wird von dieser Falle gewußt haben, deshalb hat er sich mit seinen Chakras rechtzeitig abgesetzt."
„Aber warum haben sie uns im Stich gelassen?" fragte Dorian verständnislos. „Ich denke, der Chakravartin will mit uns zusammenarbeiten."
Sie näherten sich vorsichtig dem Haus. Coco ließ es nicht aus den Augen und strengte dabei ihre übernatürlichen Sinne an. Die Ausstrahlung von Dämonen wurde immer stärker, je näher sie dem Haus kamen, doch Coco war es unmöglich, diese Ausstrahlung zu analysieren. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, ob sich in diesem Haus noch Dämonen befanden.
„Das Haus scheint unbewohnt", stellte Dorian mit einem Seitenblick auf Coco fest, die nur unsicher nickte. „Es könnte sich aber um eine Falle handeln. Ich schlage deshalb vor, daß nur einer von uns es betritt und die anderen draußen bleiben."
„Es ist besser, wenn wir zusammen bleiben", erwiderte Olivaro.
Coco stimmte dem zu. Als Don den Kopf aus seinem Versteck in ihrem Sari steckte, befahl sie ihm, sich sofort wieder zurückzuziehen. Sie konnte sich des unbestimmten Gefühls nicht erwehren, daß sie von unzähligen Augen beobachtet wurden. Unsichtbare Gegner schienen sie zu belauern.
Dorian erreichte als erster das Haus. Er stieg vorsichtig die Holztreppe zur Veranda hoch. Die Stufen knarrten unter seinem Gewicht. Das war das einzige Geräusch in der unnatürlichen Stille.
„Ist da jemand?" fragte Dorian.
Wie als Antwort kam ein fernes Stöhnen.
„Da scheint jemand verletzt zu sein", stellte Dorian fest und wollte ins Haus eilen.
„Vorsicht!" warnte Coco. „Nur nichts überstürzen, Dorian! Die Ausstrahlung des Dämonischen hat sich verstärkt. Wir müssen auf der Hut sein."
„Laß mich raus!" verlangte Don Chapman in seinem Versteck.
Noch ehe Coco es verhindern konnte, spürte sie, wie Chapman aus der Tasche kletterte und sich an der Innenseite ihres Saris zu Boden ließ. Im nächsten Moment huschte er als kaum wahrnehmbarer Schatten ins Haus. Gleich darauf erschien er wieder in der Tür.
„Die Luft ist rein", rief er verhalten. „Niemand da. Nur die Einrichtung mutet seltsam an. Wie aus einem tibetanischen Kloster."
Dorian, Coco und Olivaro betraten das Haus. Coco fielen sofort die vielen Gebetsmühlen auf. Sie reihten sich an den Wänden entlang, standen neben- und übereinander in Regalen in der Mitte des Raumes. Ein Luftzug strich durch den Raum und bewegte einige der Gebetsmühlen knarrend.
„Seht euch das an!" rief Dorian überrascht aus. „Auf den Gebetsmühlen steht nicht das klassische ,Om mani padme hum' sondern es handelt sich um undeutbare Kritzeleien."
„Vielleicht war dies früher ein Versteck der Padmas", vermutete Olivaro. „Seltsam ist das Verhalten der Chakras dennoch. Warum haben sie um dieses Haus einen Bogen gemacht?"
„Möglicherweise wollen sie uns auf die Probe stellen", vermutete Dorian.
„Da steckt etwas anderes dahinter", sagte Coco überzeugt und stieß eine der Gebetsmühlen versuchsweise an, so daß sie sich langsam zu drehen begann. „Olivaro, stammen diese Schriftzeichen aus dem magischen Symbolismus der Januswelt?"
„Bestimmt nicht", antwortete Olivaro überzeugt. „Ich könnte sie sonst
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