1243 - Sie lockten mit dem Jenseits
Er hing zwischen ihnen und war nicht in der Lage, sich zu wehren. Sie zerrten ihn nach vorn, sodass er in einer schrägen Haltung blieb.
In den Achselhöhlen hielten ihn die starken Hände fest, an den Handgelenken ebenso, und so fühlte sich Bill wie ein Sack, der zu irgendeiner Müllhalde gebracht wurde.
Dass er in seiner Wut, seinem Zorn und auch in der jetzt aufsteigenden Angst einige Male geschrien hatte, war ihm kaum bewusst geworden, denn jetzt ging es darum, dass er sich immer mehr den verdammten Spiegeln näherte. Er sollte durch sie in die andere Welt gelangen und dem Reich der neuen Engel zugeführt werden.
Für immer verschwunden. Vielleicht einer von ihnen werden.
Umgebracht wie die alten Menschen, die unter ihrer Krankheit gelitten hatten. Das alles stand ihm jetzt bildlich vor Augen, und Bill schnappte nach Luft und stöhnte auf.
Die Spiegel warteten auf ihn. Er konnte nichts mehr dagegen tun. Die andere Seite war grausam. Sie schleifte ihn weiter. Die Grauen würden ebenfalls in ihre Spiegel treten und sich wieder in diese unförmigen Schatten verwandeln.
Die neuen Engel hatten einen großen Sieg errungen. Sie würden weitermachen und ihr Reich ausbauen.
Bill kämpfte trotzdem weiter. Er machte seinen Körper so schwer wie möglich, doch es war einfach lächerlich. So kam er den Gestalten nicht bei, die ihn immer weiter zerrten.
Die Hälfte der Strecke hatten sie längst hinter sich, da passie rte etwas, das Bill erschreckte. Ein heller Strahl fegte durch die Luft, er war von einem pfeifenden Geräusch begleitet, und Bill erlebte erneut, dass er geblendet wurde.
In einem Reflex schloss er die Augen.
Der Zustand gefiel ihm. Er wünschte sich, dass er immer so blieb und dass auch die verdammte Brut verschwand.
Wunschträume eines Menschen, der verloren hatte. Aber etwas war trotzdem anders. Bill merkte, dass ihn die Hände nicht mehr weiter auf die Spiegel zuzerrten. Die neuen Engel waren stehen geblieben, und Bill bezweifelte, dass sie nur eine Pause einlegen wollten. Da war etwas passiert. Zudem hatte sich auch seine Haltung verändert. Er war jetzt mehr in die Senkrechte gezogen worden und hatte die schräge Haltung verlassen.
Bill Conolly öffnete die Augen. Er wollte endlich wissen, was da geschehen war.
Nein, er glaubte es nicht. Es war unmöglich, das konnte nicht stimmen. Jemand machte ihm etwas vor und hatte dieses Trugbild geschaffen. Er hätte es in seinen kühnsten Träumen nicht erwartet und erhofft. So brauchte er Sekunden, bis er begriffen hatte, dass es kein Irrtum war, was er da vor sich sah.
Eine Gestalt mit dunklen Haaren und einem dunklen Umhang um die Schultern.
Eine Gestalt, die auch bewaffnet war und den Griff des gläsernen Schwerts mit beiden Händen festhielt.
»Raniel…«, hauchte Bill nur…
***
Es gab keinen Zweifel, und Bill hörte auch keinen Widerspruch. Vor ihm stand tatsächlich Raniel, der Gerechte. Er trug seine Waffe, die er die Bibel des Gerechten nannte, und er war schon oft für viele Verdammte und Verlorene der Hoffnungsträger gewesen.
Raniel war Mensch und Engel zugleich. Er konnte beide Gestalten annehmen, und er war als Engel in der Lage, durch Gegenstände hindurchzugleiten.
Wo Raniel lebte, wusste Bill nicht. Möglicherweise in der Welt der Engel, aber auch auf der normalen Erde. Er war ein Pendler zwischen den Dimensionen, und er war eine Person, die sich ihre eigenen Gesetze geschaffen hatte. Der Begriff Gerechtigkeit hatte bei ihm eine besondere Bedeutung bekommen, denn Raniel schuf sich seine Gerechtigkeit selbst. Was er als ungerecht ansah, konnte für die Menschen eine ganz andere Bedeutung haben. Deshalb ging er nicht immer mit ihnen konform. Von seinem Weg ließ er sich durch nichts und niemanden abbringen, und dieses Wissen war es, das Bill Conolly positiv erschütterte.
Im Moment war er als Mensch erschienen. In der Gestalt des Engels hätten seine Augen in einem silbrigen Blau geschimmert, als Mensch jedoch besaß er einen harten, durchdringenden Blick, und da hatte sich die Farbe der Augen den dunklen Haaren angeglichen.
Er stützte sich auf sein Schwert mit der gläsernen Klinge.
Diese Waffe beherrschte er perfekt. Er hatte damit schon furchtbar unter seinen Feinden aufgeräumt, und auch jetzt wirkte er nicht so, als wäre er nur zum Spaß erschienen.
Bill hatte nur den Namen des Gerechten aussprechen können.
Danach hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er kam sich in diesen Augenblicken noch kleiner und hilfloser
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