1245 - Satansblut
fallenden Blutstropfen, den musste er finden.
Er sprach mit seinem Bruder, obwohl er ihn nicht hören konnte. »Keine Sorge, Sandro, ich bin bald wieder zurück. Ich werde dich nicht allein lassen. Ich schaue nur nach, und vielleicht schaffe ich es, deinen Mörder zu erwischen. Dann werde ich ihm den Hals umdrehen oder ihn wie eine Ratte zerschlagen.«
Er war fest entschlossen, diese Versprechen zu halten, und mit diesem Vorsatz im Herzen machte er sich auf den Weg. Er verließ die Station nicht durch die Tür, durch die sie hineingekommen waren, sondern nahm einen anderen Weg.
Jorge ging dortin, wo noch die verrosteten und alten Gitter zu sehen waren, die früher eine Sperre gebildet und die Station vom Bahnsteig abgetrennt hatten.
Die Dinger standen jetzt nur einfach herum. Aufhalten konnten sie keinen mehr. Auch hier und ebenfalls hinter den Gittern hatte die Natur ihre Zeichen hinterlassen. Da war der Untergrund durch die mächtige Kraft der Pflanzen aufgebrochen worden, und auch auf dem Bahnsteig sah nichts mehr so aus wie zu früheren Zeiten, als hier noch Züge gehalten hatten und Menschen eingestiegen waren.
Am Bahnsteig besaß das Stationsgebäude ein Vordach.
Früher hatte es die Reisenden vor den Widrigkeiten des Wetters geschützt. Jetzt war es auch noch vorhanden, aber der Zahn der Zeit hatte stark an ihm genagt. An verschiedenen Stellen war das Dach eingerissen. Schindeln lagen auf dem Boden, und überwucherndes Unkraut hatte sie zu kleinen Hügeln werden lassen. An einer Stelle weiter vorn waren die Stützbalken abgerissen, aber noch nicht zu Boden gefallen. Sie hingen nach unten wie die verkohlten Arme eines Riesen.
Kein Mensch außer Jorge befand sich auf dem Bahnsteig.
Von den Schienen war ebenfalls nicht mehr viel zu sehen. Nur an einigen Stellen schauten sie noch verrostet hervor.
Ein Bahnhof, der leer und tot war. Station, um in die Hölle zu fahren, was Jorge allerdings nicht auf seinen Bruder bezog. Der hatte bestimmt keinen Platz beim Teufel bekommen, und so suchte er weiter nach einer Möglichkeit, um auf das Dach der Station zu gelangen.
Er fand sie dort, wo das Dach keinen Schutz mehr bot. Als Anbau wollte er das kleine Gebäude nicht eben sehen. Mehr als Lagerraum für irgendwelche Pakete und Postsäcke, die ebenfalls von einem Zug mitgenommen worden waren. Er sah es, als er einen Blick durch das Fenster warf.
Es gab hier keine Scheiben mehr. Allerdings eignete sich das Fenster als Kletterstütze. Es besaß einen nach vorn gebauten Rand, der mit einem Sims zu vergleichen war und so stabil aussah, dass er auch das Gewicht eines Menschen halten konnte. Der Sims zog sich um das gesamte Fenster herum, und Jorge war geschickt und gelenkig genug, um auch den oberen Rand zu erreichen.
Als er einigermaßen Halt gefunden hatte, fanden seine Hände die Kante des Dachs. Er griff in feuchtes Gras hinein und auch in weiches Moos, das sich dort gebildet hatte. Aber auch dort hatte er Glück. Er konnte sich tatsächlich in die Höhe ziehen und hatte schließlich das Dach erreicht, bevor seine Hände gefährlich abrutschten. Er rollte sich hinauf und hoffte, dass es unter seinem Gewicht nicht zusammenbrach.
Es hielt, und so richtete sich Jorge vorsichtig auf. Sein Ziel war die vordere Seite des Stationsgebäudes. Die Schritte, die er auf dem Bahnsteig gelaufen war, musste er wieder zurückgehen, um den Punkt zu erreichen, von dem aus durch eine Lücke das Blut nach unten getropft worden war.
Obwohl er nicht durchsackte, blieb er vorsichtig. Er hatte sich beim Laufen auch nicht aufgerichtet, ging mit gesenktem Kopf und probierte jede Stelle erst aus, bevor er einen Fuß darauf setzte.
Alles klappte gut. Er kam sogar prima voran, wurde dann noch vorsichtiger, als er in die unmittelbare Nähe des Zieles geriet. Jorge blieb zunächst stehen und holte wieder seine Lampe hervor.
Der Lichtarm zuckte durch die Dunkelheit und näherte sich dem bewussten Platz. Das Dach war nicht leer. Es war auch nicht glatt. Auf ihm hatte sich im Laufe der Zeit so einiges abgelagert. Da wuchs das Unkraut ebenso wie auf jedem Feld, doch der kompakte Gegenstand am Ende des Lichtstrahls passte einfach nicht dazu.
Und das war genau die Stelle, an der das Blut nach unten getropft war. Gefahr bestand für Jorge nicht. Er war allein auf dem Dach. Abgesehen von dem noch nicht identifizierbaren Ding, das wie eine kompakte Masse vor ihm lag.
Sekunden später hatte er es erreicht, bückte sich - und sah, was dort lag.
Es
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