Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1246 - Die Macht des Träumers

Titel: 1246 - Die Macht des Träumers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
Vernunft wären schon vor Äonen besiegt worden, hätte der Feind sich nicht selbst geschwächt... durch die Beschädigung des Moralischen Kodes."
    Im Traum sah er an dem Fremden vorbei, sah das dunstige Meer und die glasierte Küste, die graue Asche des Landes und die Feuer am Horizont. Im Traum stellte er sich die gleichen Fragen, die er sich damals gestellt hatte: Warum soll ich ihm nicht dienen?
    Warum soll ich auf Sarlengort bleiben und sterben, wenn ich ewig leben kann? Die Völker von Narzesch werden sich daran erinnern, was wir Träumer ihnen im Lauf unserer zehntausendjährigen Herrschaft angetan haben. Sie werden kommen, um sich zu rächen, jetzt wo die Patrouillen von Wi'n die Macht der Träumer gebrochen haben. Sie werden kommen und eine Welt aus Asche finden, und in der Asche die Türme, und in den Türmen die letzten Sarlengort, unter ihren Träumen begraben...
    Dennoch fürchtete er sich vor dem Entschluß. Seine Pigmentsensoren - Auge, Ohr und Nase zugleich - wurden stärker durchblutet, als ob die Furcht seine Sinne schärfen wollte, um ihm das zu zeigen, was sich hinter all den Worten verbarg. Er fand, was er erwartet hatte. Eine Drohung. Ungehorsam bedeutet Tod. Zu seiner eigenen Überraschung erleichterte ihn die Drohung. Sie befreite ihn von der Last der eigenen Verantwortung. Der Gehorsam war eine Bürde, die sich leichter tragen ließ.
    „Ich werde dir dienen", wiederholte er im Traum die Worte von damals. „Ich denke, daß ich ..."
    Schmerz traf ihn wie der Schlag einer stählernen Faust. Wilder körperlicher Schmerz, der ihn aufbrüllen ließ, aber die Welt war verbrannt, und die Träumer in den Türmen schliefen zu fest, um ihn hören zu können. Und das einzige Wesen auf Sarlengort, das ihn hörte, kümmerten seine Schreie nicht.
    „Du wirst dienen, nicht denken", sagte sein neuer Herr. „Du bist ein Werkzeug; mehr nicht."
    Er stöhnte. Ruß schwärzte seine weiße Haut; Ascheflocken blendeten seine Pigmentsensoren. Der Schmerz ließ langsam nach, und während der Schmerz abflaute, wuchs Zorn in ihm. Ohnmächtiger Zorn. Ich bin ein Sarlengort! dachte er. Mein Volk hat zehn Jahrtausende lang über eine ganze Galaxis geherrscht! Niemand hat das Recht, mich so zu behandeln! Niemand...
    „Du bist mein Werkzeug", sagte sein Herr. „Und du wirst mein Werkzeug bleiben. Mein wichtigstes Werkzeug, doch trotzdem ein Werkzeug, ein Element. Das Element der Lenkung, der Führer des Dekalogs der Elemente. Du bist nicht das erste Lenkungselement. Vierzehn haben mir vor dir gedient. Bis zu ihrem Tod. Sie starben im Kampf gegen die Mächte der falschen Ordnung, und dieser Tod war sanft; oder sie starben durch meine Hand, weil sie unfähig waren und versagt hatten, und dieser Tod..."
    „Ich verstehe."
    „Du verstehst nichts."
    Im Traum lag er keuchend in der Asche. Ruß verklebte die empfindlichen Pigmentsensoren, und als er den Kopf hob, verwandelte der Rußfilm die Hügel und den weißen Turm im Norden in Schattenrisse. Ganz Sarlengort war ein Schattenland - mit Schatten als Bewohnern. Er dachte an die Schläfer in diesem und den anderen Türmen und an das Schicksal, das sie erwartete. Er sah seinen Herrn an, aber ihm fehlte der Mut, ihn um Hilfe für sein Volk zu bitten. Ein Werkzeug diente und gehorchte; einem Werkzeug wurden keine Bitten gewährt. Er richtete sich mühsam auf.
    „Du brauchst einen Namen", sagte sein Herr, „einen neuen Namen."
    „Warum?" wagte er zu fragen. Instinktiv, in Erwartung einer neuen Schmerzwelle, duckte er sich, doch der Schmerz blieb aus.
    „Weil du von nun an mein Werkzeug bist. Du beginnst erst jetzt zu existieren. Was vorher war, hat es nie gegeben. Es muß so sein." Etwas wie Belustigung ging von dem Unheimlichen aus. „Nur wer keine Bindungen hat, ist ein perfekter Diener. Nur wer keine eigene Identität, keine Vergangenheit hat, ist ein vollkommenes Werkzeug. Ich werde dir Identität und Vergangenheit nehmen und dir dafür Macht und Unsterblichkeit geben."
    „Du bist großzügig."
    „Was ich gebe, kann dir jederzeit genommen werden."
    Im Traum dachte er über einen neuen Namen nach, wie er vor viertausend Jahren auf Sarlengort nachgedacht hatte, und genau wie damals fand er die Antwort im Brandungsrauschen. Das Meer war tot, aber es rauschte noch.
    „Nenn mich Kazzenkatt", sagte er. „Kazzenkatt der Träumer."
    Denn Kazzenkatt, fügte die Brandung mit feuchter, schwerer Stimme hinzu, Kazzenkatt heißt: Ich will leben.
     
    *
     
    Mit einem Schrei fuhr

Weitere Kostenlose Bücher