1247 - Die Druiden-Maske
der Schienen. Das würde dauern, und es lag durchaus im Bereich des Möglichen, dass wir hier übernachten mussten.
Nicht unbedingt im Zug, aber in Notunterkünften in Limoux.
Da konnten dann Turnhallen oder ähnliche Gebäude in Frage kommen.
Hella Fontaine war und blieb im Wagen verschwunden. Es war seit ihrem Eintritt eine gewisse Zeitspanne vergangen, und ich fragte mich, was sie so lange bei den Särgen festhielt. Dass es ein weiterer Abschied von den Eltern war, konnte ich fast nicht glauben.
Als wir den Wagen erreichten, stellten wir fest, dass der Einstieg nicht ganz aufgerissen worden war. Nicht einmal bis zur Hälfte. Die Lücke reichte aus, um einem Menschen Platz zu bieten.
Wir blieben neben dem Einstieg stehen und lauschten. Aus dem Innern war nichts zu hören, nur das leise Aufschlagen der grieseligen Körner erreichte unsere Ohren.
Suko stieg zuerst ein. Ich wartete, bis die Düsternis im Waggon seine Umrisse verschluckt hatte, dann folgte ich ihm und konnte im ersten Moment nicht viel sehen.
Durch die offene Tür drang Licht, durch schmale Schlitze an den Seiten ebenfalls. Der Gepäckwagen war nicht ganz gefüllt, aber viel Bewegungsfreiheit ließen uns die Kartons und Postsäcke auch nicht, die sich im Wagen verteilten.
Wir sahen auch Madame Fontaine. Sie hatte sich einen großen Karton als Sitzplatz ausgesucht und hockte so, dass die beiden Särge der Länge nach vor ihr standen.
»Komisch«, sagte sie, als wir eingestiegen waren. »Es hätte mich wirklich gewundert, wenn Sie nicht gekommen wären…«
***
Wir wussten selbst nicht, ob wir überrascht sein sollten oder nicht. Es lag eher in der Mitte. Denn wir waren davon ausgegangen, in Hella Fontaine schon eine besondere Frau zu sehen, die auch besonderen Aufgaben nachging.
Ich lehnte mich neben der Tür gegen die Wand und überließ meinem Freund das Wort.
»Wieso hat Sie das nicht überrascht?«
Hella Fontaine zuckte mit den Schultern. »Das kann ich Ihnen konkret nicht sagen. Ich hatte einfach das Gefühl. Ein Gespür, Wissen. Ja, man bekommt im Laufe der Jahre eine gewisse Sensibilität, die man als junger Mensch nicht hat. Da lernt man es, die Menschen einzuschätzen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Nein«, erwiderte Suko.
»Dann muss ich wohl konkreter werden«, erwiderte sie fast seufzend. »Ich habe bemerkt, dass Sie sich über mich Gedanken gemacht und mich auch außerhalb des Abteils beobachtet haben. Da musste ich zwangsläufig damit rechnen, dass Sie hier erscheinen. Das ist nun mal so. Mir ist zudem aufgefallen, dass sie mit dem Beamten gesprochen haben, als ich einen kurzen Blick aus dem Wagen warf. Sie sehen zudem nicht so aus, als hätten Sie sich von ihm abspeisen lassen. Das ist es, was ich Ihnen von meiner Seite aus zu sagen habe. Ja, und jetzt sehen Sie mich neben den Särgen sitzen, und Sie wundern sich bestimmt, warum ich das hier tue. Sie machen sich Ihre Gedanken.«
»Stimmt«, erklärte ich, wobei ich über die Selbstsicherheit dieser Frau nicht mal so verwundert war. Sie wusste genau, was sie tat. Ihre Aktionen waren sicher. Eine wie sie war es gewohnt, den geraden Weg zu gehen und das mit aller Konsequenz.
Ich übernahm das Wort. »In der Tat wundert es mich, dass sie sich den Wagen haben öffnen lassen.«
Sie lächelte zu mir hoch. »Jetzt warten Sie auf eine Erklärung meinerseits.«
»Das allerdings.«
»Ganz einfach. Ich wollte nur schauen, ob noch alles in Ordnung ist und wollte auch noch mal Abschied nehmen, denn ich habe sehr an meinen Eltern gehangen. Man muss die Zeit wirklich nutzen, Monsieur Sinclair. Ich will nicht unbedingt draußen stehen oder in meinem Abteil sitzen bleiben. Hier habe ich meine Ruhe. Was ist schon passiert? Ich bin keine Diebin. Mich interessiert die andere Ladung nicht. Das habe ich auch dem Bahnbeamten klar machen können.«
»Dann war der Schein sicherlich groß genug, denke ich.«
»Ja, Monsieur Sinclair, das war er.« Sie räusperte sich. »Der arme Mann war froh.«
Ich ließ meinen Blick über die beiden Särge wandern. Sie gehörten wirklich zum Feinsten und waren bestimmt nicht billig gewesen. Dickes Holz, schwarz gestrichen und dann lackiert. Die Griffe zeigten einen goldenen Farbton und glänzten leicht.
»Was schauen Sie so skeptisch?«, fragte sie.
»Tue ich das?«
»Ja.«
»Sagen wir so, Madame Fontaine, ich wundere mich eben über ihr Verhalten.«
Sie warf den Kopf zurück und lachte leise. »Ja, so kann man es auch ausdrücken.«
»Das
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